Es ist ein besonders warmer Tag im Juli. Die Sonne scheint so hell, dass Shadi blinzeln muss. Sie reibt sich über ihre Augen und entscheidet sich für ein Bad. Auf geht’s zum Pool! Oh weh, der Boden ist ganz schön heiß, sie muss sich beeilen. Warum sollte sie langsam in den Pool steigen, wenn sie auch springen kann? Das kühle Wasser tut gut und während Shadi sich erfrischt, guckt sie zu den Erwachsenen rüber. Ihre Mutter unterhält sich mit der Nachbarin. Es geht schon wieder um das Coronavirus. „Shadi, was hat sich wegen Corona verändert? Worauf müssen wir achten?“, wird sie von der Tante gefragt. Eigentlich würde Shadi nämlich jetzt gar nicht im Pool planschen. Normalerweise wäre sie vormittags noch im Kindergarten. Seit Wochen tragen alle Masken und der Kontakt zu anderen wurde stark reduziert. Zum Glück dürfen Kinder nun wieder auf den Spielplätzen spielen, denn das Toben dort hat sie besonders vermisst.
Die Erwachsenen vertiefen sich in ihr Gespräch, dabei soll doch jetzt mal einer rüber gucken. Shadi kann mit ihren fünf Jahren schon so toll tauchen. Im Pool liegen viele verschiedene bunte Ringe und Stäbe. Shadi taucht unter und holt sie alle aus dem Wasser. Nach und nach wirft sie die gelben, blauen, orangenen und grünen Gegenstände im hohen Bogen auf den Rasen.
Geschafft und na super, niemand hat es gesehen. Frau Nachbarin regt sich zu sehr auf. Kurzarbeit. Es ist doch gut, wenn alle nur kurz zur Arbeit müssen? Shadi freut sich darüber, dass ihr Papa alle zwei Wochen zu Hause Homeoffice machen kann. Ihre Mama ist in Elternzeit, denn Shadi ist seit knapp einem Jahr große Schwester von der kleinen Minou. Langsam wird Shadi kalt, sie steigt aus dem Wasser und geht zu dem Kinderwagen, denn Minouchen ist wach geworden. Mami und die Nachbarin sehen traurig aus. ,,Corona ist blöd.“ spricht sie zu der kleinen, die sie mit großen Augen anguckt. Sie denkt an Oma und Opa. Lange Zeit durften sie sich nicht besuchen und umarmen. Die Besuche und Verabredungen mit Freunden haben ihr gefehlt und oft war ihr sehr langweilig, obwohl ihre Familie ein Haus mit Garten und jeder Menge Spielmöglichkeiten besitzt.
Während ihre Mutter das Baby versorgt hat, ist Shadi mit ihrem Papa einkaufen gegangen. Sie hat eine lila Maske mit Zebra getragen und sie musste sich, wie Papa, die Hände desinfizieren. Das Coronavirus ist ansteckend. Darum müssen sich alle oft die Hände waschen und es ist wichtig Abstand zu halten. Ihre Eltern haben ihr das gut erklärt und darum achtet Shadi darauf alles einzuhalten. In vielen Fällen halten sich Kinder sogar besser an die Regeln, als die Erwachsenen. Oma und Opa wollten sie zum Beispiel trotzdem immer kuscheln und Shadi musste sie dann daran erinnern, dass dies nicht geht. Es soll doch niemand krank werden! „Shadi, willst du die Schildkröten füttern? Auf dem Tisch liegen Tomaten.“, ruft Mama ihr zu, als die Eltern den Einkauf gemeinsam verräumen. Das macht sie gerne. Die sonst so langsamen Tiere können ziemlich schnell ihr Gemüse essen, sogar ein leises Schmatzen ist zu hören. Darüber muss sie jedes Mal lachen.
Es ist toll, wenn die ganze Familie zusammen Mittag essen kann. Normalerweise sind sie nur zu dritt, aber jetzt kommt Papa in seinen Homeoffice Pausen zum Essen dazu. An den Wochenenden überlegen sich ihre Eltern immer tolle Ausflüge, die sie mit ihr und der kleinen Schwester unternehmen können: Radtouren, Inliner fahren oder ein Spaziergang mit dem tollen neuen Handwagen. Mama und Papa lassen sich alles möglich einfallen, damit die Verabredungen mit Freunden und die Familienbesuche nicht zu sehr fehlen. Der Garten gleicht mittlerweile auch einem kleinen Spielplatz. Shadi hat eine Schaukel, eine Rutsche, einen Sandkasten und Möglichkeiten zum Turnen. Wirklich Prima, da staunen immer alle Fußgänger, wenn sie sehen, was Shadi für tolle neue Kunststücke übt. Musik liebt sie auch und gerne singt sie allen etwas vor. Die größten Fans sind natürlich ihre Eltern.
Papa macht gerne Videos für die gesamte Familie. Jeden Tag gibt es liebe Nachrichten von den Großeltern aus Deutschland, aber auch von der Familie aus dem Iran. Einen großen Teil ihrer Familie sieht Shadi also sowieso nicht sehr oft. Sie wohnen zu weit weg und zu oft Flugzeug fliegen ist nicht gut für die Umwelt. „Guckt euch mal den Flugplatz da an, normalerweise ist der immer voll. Wegen Corona traut sich keiner mehr dort hin.“, sagt Papa, als er ihr und Mama ein Bild von dem sonst so überfüllten Flughafen im Iran zeigt. Wenn Shadi sich alleine beschäftigt, macht sie gerne neue Bilder aus Bügelperlen. Ihre Sammlung ist mittlerweile riesig. Ihre absolute Lieblingsbeschäftigung ist allerdings das Malen und weil sich immer alle so sehr darüber freuen, verschenkt sie ihre kleinen Kunstwerke gerne großzügig.
Nachdem die Schildkröten satt sind, fängt auch Shadis Bauch an zu knurren. Zum Glück ist bald Kaffeezeit. Mama backt einen Kuchen und sie hat ihr versprochen, dass Shadi dekorieren und die Sahne schlagen darf. Sie entscheidet sich für rosa und pinke Sterne. „Pass auf, dass dir von der ganzen Sahne nicht schlecht wird.“, rät Mama ihr am Tisch. „Von Sahne wird mir niemals schlecht.“, erklärt Shadi und schaufelt sich noch einen Löffel auf ihren kleinen weißen Berg.
Alle finden das Coronavirus blöd, aber gibt es denn auch positive Seiten am Virus? Eigentlich ist es doch gar nicht so schlecht zu Hause bei Mama und Minou zu sein. „Vermisst du deine Freunde gar nicht?“, fragt sie ihre Mutter. Wenn Shadi darüber nachdenkt, braucht sie den Kindergarten nicht um ihre Freundinnen zu treffen. Am besten sind sowieso immer die Verabredungen auf dem Spielplatz. Hier können sich alle austoben und die ersten Termine zum gemeinsamen Spielen wurden von den Mamis bereits vereinbart. Shadi kann es kaum erwarten.
Shadis Mama hat bemerkt, dass ihrer Tochter die Situation gerade gefällt, weil beide Eltern da sind und sich mehr mit den Kindern beschäftigen. „Ich vermisse den Kindergarten schon, Shadi tut der Kontakt zu ihren Altersgenossen eigentlich sehr gut.“, erklärt sie. „Normalerweise habe ich vormittags immer Zeit für den Haushalt gehabt und mich um den Einkauf und Termine gekümmert. Jetzt steht jeden Tag Kinderbeschäftigung auf dem Plan.“ Obwohl sich der Alltag sich für die Mutter komplizierter gestaltet, macht die Familie das beste daraus. Die Kinder lachen und sind dankbar über die gemeinsame Zeit. Für ein Kinderlächeln und zufriedene Töchter nehmen Mama und Papa alles in Kauf. Und mal ganz ehrlich, auch ohne Coronavirus wird sich jetzt mehr Zeit für die Familie genommen.