Seit 58 Jahren ist Christa Haase Inhaberin der Bierecke Quick am Nickolaikirchof in Göttingen. Ein Besuch.
Eigentlich sollte es nur ein kurzes Interview werden. Christa Haase, die Inhaberin von der „Bierecke Quick“ hatte meiner Anfrage zu einem Treffen sofort zugestimmt. „Komm doch einfach mal Abends auf ein Bier vorbei, dann setzte ich mich gerne ein Weilchen zu dir“, lud sie mich am Vortag ein. Hört sich gut an, dachte ich. Dann könnte ich ja auch noch etwas über die Atmosphäre und die anderen Gäste im Lokal schreiben. Doch plötzliche finde ich mich um zwei Uhr Nachts, mittlerweile als einziger Gast, an ihrer Theke sitzend wieder. Wir blättern durch alte Fotoalben – Christa kann zu fast jedem Bild eine Geschichte erzählen – und unterhalten uns über ihre Kneipe.
Alles beim alten
Seit nun mehr 58 Jahren führt die alte Dame das „Quick“: Früher zusammen mit ihrem Ehemann – seit dessen Tod alleine. Einzig zwei Studierende aus Göttingen helfen ab und an aus und zapfen das Bier für die vielen Gäste. Sonst scheint die Zeit wie stehengeblieben in dem Kleinod direkt neben der Nikolaikirche. Von der mittlerweile leicht vergilbten Tapete mit Nadelstreifen an der Wand, bis hin zu der immer größer werdenden Sammlung von seltenen Schnapsflaschen neben der Theke: Viel hat sich über die Jahre nicht verändert. Vergrößert wurde die Gaststätte lediglich einmal: In der 80er Jahren, als der Metzger nebenan schließen musste, übernahm Christa die Räumlichkeiten, um Platz für vier weitere Tische zu schaffen. An ihnen ist eine in Göttingen wohl einmalige Besonderheit zu finden. Jeder der vier Tische verfügt über eine Art Schalter. Wird der betätigt, ist ein Klingeln an der Theke zu hören, sodass Christa Bescheid weiß: Hier darf es noch etwas sein.
Ersatz-Oma für Göttingen
Das wahrscheinlich wichtigste Alleinstellungsmerkmal des Lokals ist jedoch etwas anderes: Die einladende und überaus herzliche Inhaberin. Christa hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Gäste. Viele kennt sie schon seit Jahrzehnten. Auch deshalb ist sie für viele zu einer Art Ersatz-Oma geworden. Die Gäste, so berichtet Christa, sind jedoch sehr unterschiedlich. Neben vielen Studierenden wird das Quick „vom einfachen Arbeiter bis hin zu Doktoren“ regelmäßig besucht, wie sie erzählt. Sogar eine ganze Rugby-Mannschaft wurde schon einmal im Quick bewirtet. Für Christa ist es aber egal, was ihre Gäste sonst machen und woher sie kommen, solange sie sich benehmen und freundlich zueinander sind.
Dass Christa schon so lange am gleichen Ort arbeitet stört sie nicht. Als gebürtige Göttingerin kennt sie die Stadt und ihre Bewohner so gut wie kaum jemand anderes. So ziemlich alle in der Stadt befindlichen Kneipen haben im Laufe der Zeit den Besitzer gewechselt oder haben schließen müssen. Doch Christa und ihr Quick sind geblieben. Auch der ein oder andere Prominente hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in das Lokal verirrt. Neben Karl Friedrich von Weizecker, dem Bruder des berühmten Bundespräsidenten, saß, so vermutet es Christa, auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bestimmt einmal an ihrem Tresen. Schröder hatte in den späten 60er Jahren in Göttingen studiert.
Geheimtipp: Christas Frikadellen
Genau an diesem Tresen sitze ich nun mit Christa und trinke, ganz der professionelle Journalist, mein mittlerweile siebtes Pils. Christa bleibt den ganzen Abend bei alkoholfreiem Sekt. “So richtig betrunken war ich noch nie“, berichtet sie mir. Kurz bevor ich aufbrechen will, holt Christa noch etwas ganz besonderes aus ihrem kleinen Kühlschrank unter der Bar. Auf einem silbernen Tablett liegen selbst gemachte Frikadellen. Die macht sie jede Woche frisch und verkauft sie an jeden, der danach fragt. Mit einer Frikadelle im Mund mache ich mich auf dem Heimweg. „Mach für die aber bloß keine Werbung in deinem Bericht“, ruft sie mir beim Verlassen noch hinterher. „Das mit den Frikadellen ist viel zu viel Arbeit und ich will ja niemanden enttäuschen, falls es mal keine mehr gibt.“