Axel Bauer beim Wildwasserkajak Fahren in Wildalpen (Österreich)

Es ist sechs Uhr morgens. Noch schaut man in lauter müde Gesichter. Vor dem Institut für Sportwissenschaften an der Uni in Göttingen ist dennoch bereits reger Trubel: Es werden Boote verladen, Neoprenanzüge, Helme, Schwimmwesten, Spritzdecken, Paddel und Spritzjacken anprobiert und eingepackt. Wer als Student mit auf eine Kajakexkursion von Axel Bauer fahren möchte, der muss früh aufstehen. Sobald alles verpackt ist, geht es mit den Kleinbussen des Hochschulsportes los auf eine ereignisreiche Reise. Das Ziel: Österreich.

Axel Bauer beim Wildwasserkajak Fahren in Wildalpen

„Eigentlich ist es nicht gefährlich, wenn du dir Wildwasser aussuchst, das deiner Könnensstufe entspricht. Du es richtig absicherst und keine unnötigen Gefahren eingehst. Wenn du ein zu kleines Boot nimmst, keinen Springer hast, niemanden mit einem Wurfsack am Ufer hast, dann kann es schon gefährlich werden. Es kommt drauf an, wie du es organisierst.“ So beschreibt ein Göttinger Sportstudent das Wildwasserkajakfahren.

Der Kanusport wird in Göttingen, ja sogar deutschlandweit mit einem bestimmten Mann in Zusammenhang gebracht. Wer auch immer in Göttingen schon einmal Kontakt mit Kanupolo, Kanuwanderfahrten, Wildwasserkajak fahren oder Kanurennsport hatte, der hat den Namen Axel Bauer sicher schon einmal gehört.

Leidenschaftlicher Leiter des Hochschulsportes

Mit 12 Jahren war Bauer bereits mit dem Göttinger Paddlerclub auf dem Kiessee unterwegs. Damals noch als Kanurennsportler. Mit Anfang 20 beendete er diese Karriere und widmete sich im Wettkampfsport dem Kanupolo und fuhr Wildwasserkajak – bis heute. Anfangs gab es für Axel Bauer ziemlich schlechte Chancen einen Job zu bekommen: Von 1974 bis 1980 war er Student in den Fächern Sport und Germanistik. Auf Lehramt. Nach dem anschließenden Referendariat musste er einen anderen Weg einschlagen. Von den damals 21 Referendaren wurde nur einer eingestellt. Er sah dies jedoch als neue Möglichkeit – jobbte zunächst beim IfS, dem Institut für Sportwissenschaften der Georg-August-Universität in Göttingen, war Landestrainer beim Landeskanuverband und im Vorstand des Deutschen Kanuverbandes. 1986 folgte dann eine hauptamtliche Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ganz leicht war es nicht, an eine solche Stelle zu kommen. Dazu musste er sich eine Nische suchen, etwas, das ihn einzigartig machte. Kanusport war bis dahin noch nicht am IfS vertreten. Durch seine vielfältige Erfahrung in dieser Sportart konnte er ein völlig neues Bewegungsfeld eröffnen und den Studierenden näher bringen.

Weil er dort größere Karrierechancen sah, wechselte er schließlich zum Göttinger Hochschulsport. Nun ist er seit 2002 dessen Leiter und ziemlich begeistert von seiner Arbeitsstelle: „Ein Job, der unglaublich große Freiräume lässt, viele kreative Möglichkeiten hat“, sagt Axel Bauer. Dadurch, dass der Hochschulsport sich seit einigen Jahren in Göttingen zum großen Teil aus eigenen Mitteln finanziert, konnte er sich sein Traumteam schaffen: jung, dynamisch, hochmotiviert. Das Erfolgsrezept dafür? Axel Bauer nennt es Eigenverantwortung. Die Kletterhalle „Roxx“, das Fitness- und Gesundheitszentrum, die Öffentlichkeitsarbeit und das Veranstaltungsmanagement: Überall bringt die finanzielle Unabhängigkeit viele Freiräume für seine Kolleginnen und Mitarbeiter mit sich. Und nebenbei hat sich Axel Bauer seinen ganz eigenen, kleinen Bereich geschaffen: Die Lehrveranstaltungen im Bereich Kanu.

Zum Beispiel fährt er auf mehrere Wildwasserkajak-Exkursionen. Dazu zählt auch die Fahrt mit den Studenten nach Österreich. Im Österreichischen Wildalpen angekommen, sind dann auch die Studenten nur halbwegs ausgeschlafen. Axel Bauer scheint hingegen auch nach neun Stunden Auto fahren immer noch top fit zu sein. Die Boote werden abgeladen und die Unterkunft neugierig erkundet: eine Scheune mit circa 20 Schlafplätzen auf dem Dachboden. Darunter ein großer Gemeinschaftsraum, draußen eine Lagerfeuerstelle, ein Grill und Platz für Gaskocher. Das Wichtigste jedoch ist der kaum 20 Meter von der Unterkunft entfernte Wildwasserfluss „Salza“. Dieser wird die nächsten zehn Tage den Mittelpunkt für das kleine Grüppchen aus 15 Studenten und fünf Übungsleitern und Praktikanten bilden.

„Unglaubliche Handlungsvielfalt“

Geboren ist Axel Bauer 1955 in Göttingen. Die Besonderheit seiner Lieblingssportart liegt für den heute 61-Jährigen in der „unglaublichen Handlungsvielfalt“, wie er sagt. Denn es gibt wenige Sportarten, bei denen man überhaupt so viele Handlungs- und Erlebnismöglichkeiten hat. Während der Kanurennsport eher wettkampforientiert ist, es geht um das Optimieren von Zeiten, schneller zu werden als die anderen. Kanupolo hingegen ist für ihn als junger Mann interessant geworden, weil er immer schon gerne gespielt hat: Von Volleyball über Basketball bis hin zu Fußball. Es ist die perfekte Verbindung seiner wassersportlichen Kanuambitionen und einer Spielsportart. Beim Kanupolo spielen zwei Mannschaften mit jeweils fünf Spielern im Kajak gegeneinander. Das Spielfeld ist vergleichbar mit dem eines Handballfeldes. Wer am Ende den Wasserball häufiger in das auf zwei Meter Höhe hängende Tor des Gegners geworfen hat, geht als Sieger aus dem Spiel hervor. Seit er 25 Jahre ist, spielt Bauer Kanupolo.

Und dann gibt es noch zwei weitere große Bereiche des Kanusportes: Am Anfang ist Axel Bauer mit den Studierenden oder Jugendgruppen auf Wanderfahrten unterwegs gewesen. Doch irgendwann reichte ihm das nicht mehr – es musste bewegteres Wasser her. So wurden aus Wander- immer häufiger Wildwasserfahrten.

Das Besondere dabei ist für ihn auf keinen Fall die „Extremsportart“ – nach Axel Bauers Verständnis, hat Wildwasserkajakfahren nichts mit Extremen, Verletzungen oder Gefahren zu tun. Was ihn an der Sportart fasziniert sind die Natur, das „draußen sein“, sich mit dem Element Natur auseinander zu setzen. Dabei erzählt er gerne von den Wildwasser-Exkursionen mit Studierenden nach Norwegen. Eine Woche lang 24 Stunden am Tag draußen sein. Kochen über dem Feuer und auch mal drei Tage lang bei Regen unter einer Plane ausharren. Keine anderen Menschen in Sichtweite. Kein Massentourismus. Und noch etwas fasziniert ihn: Anfänger können extrem schnell Fortschritte machen. Auf Exkursionen wirft Axel Bauer die Studierenden wortwörtlich ins kalte Wasser. Er lässt sie mit dem Kajak ohne Vorerfahrung einen als leicht- bis mittelschweren eingestuften Wildwasserfluss fahren. Was ihn jedes Jahr wieder bei den Wildwasser-Kursen fasziniert: „Wie schnell die Teilnehmer handlungsfähig sind und einen Fluss wie die Salza freudvoll fahren können.“

Die Studierenden schätzen an ihrem Dozenten besonders, dass er ihnen Sicherheit gibt. „Er unterstützt die Studierenden und gibt gleichzeitig immer neue Aufgaben, die uns herausfordern“, erklärt eine Göttinger Sportstudentin. Ein erfahrener Wildwasserkajak-Fahrer ergänzt: „Axel ist sehr ruhig und kompetent. Man kann, egal auf welcher Könnensstufe man sich befindet, noch gut etwas von ihm lernen. Vor allem bezüglich der Sicherungstechniken. Er hat einfach unheimlich viel Erfahrung.“

Axel Bauer vergleicht das Wildwasserfahren häufig mit Bergwandern, Klettern und Tourenski. Tödliche Unfälle passieren nur dann, wenn Unkenntnis, Überforderung oder die Suche nach dem extremen Kick vorherrschen. Natürlich gebe es auch beim Wildwasserkajakfahren Menschen, die wie zum Beispiel Bergwanderer, die sich nicht mit kleineren Bergen als 8000ern zufrieden geben. Leider führt dies jedes Jahr wieder beim Wildwasserkajak Fahren zu circa zwanzig tödlichen Unfällen. Wildwasserflüsse sind nach sogenannten Schwierigkeitsstufen eingeteilt. Wer entsprechend seines Könnens die Anforderungen des Flusses aussucht, in Gruppen unterwegs ist und die nötigen Sicherheitsmaßnahmen beachtet, der setzt sich auch keinen besonderen Gefahren aus. Zum Beispiel ist das Verletzungsrisiko bei Spielsportarten wie Fußball und Volleyball zwanzigfach größer als beim Wildwasserkajak fahren.

Mitreißendes Gruppenerlebnis für jedermann

Deswegen ist das Wildwasserfahren für Axel Bauer auch eine Sportart, die eigentlich jeder machen kann: „Es ist geeignet für alle zwischen acht und 80 Jahren“, meint er. Wer jedoch extreme Angst vor dem Element Wasser hat, der sollte vom Kanusport Abstand halten. Aber sonst gibt es eigentlich keine Personengruppe, für die dieser Sport ungeeignet ist. Axel Bauer war auch schon mit behinderten Menschen im Kajak im Wildwasser unterwegs. Zum Beispiel ist ein Blinder in einem Doppelkajak mitgefahren und konnte ebenso die Wasserbewegung erspüren. Auch ein einseitig beinamputierter, behinderter Mensch war schon auf einer seiner zahlreichen Exkursionen dabei. „Vom Ufer aus war quasi nicht ersichtlich, wer in dieser Gruppe von sechs, sieben Leuten, die den Fluss runterfährt, die Behinderung hat.“, erklärt Axel Bauer. Sogar Wanderfahrten für Querschnittsgelähmte organisierte er bereits. Mit bestimmten Hilfsmitteln ist so einiges machbar. Die Möglichkeiten dieser Sportart sind um einiges größer, als sich am Anfang vermuten lässt.

Der Wildwasser-Fluss „Salza“ in Wildalpen (Österreich)
Der Wildwasser-Fluss „Salza“ in Wildalpen (Österreich)

Seine Erfahrungen möchte Axel Bauer weitergeben. Nicht nur an Sportstudierende, sondern auch an Studierende anderer Studiengänge. Die ZESS, eine an die Universität Göttingen angegliederte Einrichtung für Sprachen und Schlüsselqualifikationen, bietet seit vier Jahren auch Seminare an, die vom Team des Hochschulsportes geleitet werden. Neben einem Kletter- , Ski- und Snowboardlehrerschein gibt es auch die Möglichkeit sich während des Studiums im Bereich des Kanusportes aus- bzw. weiterzubilden. Wer möchte, kann dort die Chance nutzen und einen Trainerschein im Bereich Kanusport machen. Geleitet wird dieses Angebot natürlich von Axel Bauer. Er möchte den Studierenden mit diesem Seminar die Möglichkeit geben zusätzliche Lehrkompetenz zu erwerben. Das ist besonders für Lehramtsstudierende interessant, die auch als Nicht-Sportstudenten, dann in der Lage sind Klassen- oder Wanderfahrten im Bereich Kanusport zu begleiten.

Ein ganz wichtiger Aspekt dieses Seminars ist die zehntägige Exkursion nach Wildalpen in Österreich. Dort geht es Axel Bauer vor allem um das Gruppenerlebnis. Wer sich einmal auf die Exkursion eingelassen hat, der wird nicht nur vom Wasserdruck der Salza, sondern auch von der Gruppendynamik mitgerissen. Die Studenten paddeln jeden Tag, nur in der Mitte der Exkursion gibt es einen Tag Pause – da wird dann eine sieben bis acht stündige Wanderung unternommen. Die Studenten sind ständig draußen als Gruppe unterwegs. Axel Bauer ist dieser Gruppenaspekt besonders wichtig: „Da sind 20 Menschen beieinander, die so wie wir es organisieren, letztlich auch zehn Tage zusammen agieren müssen und zusammen durchhalten müssen. Das hat auch mit ganz vielen Elementen aus erlebnispädagogischen Maßnahmen zu tun. Man kann sich nicht entziehen.“ Wer einmal ins Boot gestiegen ist, muss versuchen gemeinsam mit der Gruppe am Ausstiegspunkt anzukommen. Zwar kann man natürlich aussteigen, doch ob der Weg zu Fuß leichter ist, bleibt zu bezweifeln. Unabhängig vom Paddeln wird gemeinsam gekocht. Es ist dieses Zusammenleben in der großen Gruppe, mit Menschen, die alle in der gleichen Situation sind, gemeinsam zu lachen und Spaß zu haben, neue Menschen kennenzulernen, das auch für die Teilnehmer den besonderen Reiz an der Exkursion ausmacht.

Stolzer Vater zweier begeisterter Kajakfahrer/innen

Auf den Exkursionen in Wildalpen ist auch Bea dabei, Axel Bauers Frau. Sie unterstützt die Studierenden wo immer es nötig ist und ist auch als Paddlerin aktiv. Auch sein Sohn begleitet immer wieder die Exkursionen seines Vaters. Wenn er von seiner Familie erzählt, merkt man, wie stolz Axel Bauer auf seine Kinder ist. Sein Sohn ist 34 Jahre, seine Tochter 29 Jahre. Sie haben als Kleinkinder schon im Boot gesessen. Als Jugendliche haben sie beide in der Nationalmannschaft im Kanupolo gespielt. Seine Tochter hat es sogar zweimal zu Weltmeisterehren gebracht. „Das ist für einen Vater natürlich total klasse, wenn man sieht, dass nicht nur die eigene Sportart weiter betrieben wird, sondern die Kinder gerade während der Pubertät zusätzlich zu Schule und Familie die Sportgruppe ein drittes Standbein als Halt haben.“ Wer als Teilnehmer auf den Exkursionen mitgefahren ist, erzählt gerne die kleinen Geschichten von Axel Bauer weiter.

„Sein Sohn ist schon mit 10 Jahren wie ein Profi Wildwasserkajak gefahren“, berichtet ein Sportstudent. „Axel hat ihn da bereits mit auf Exkursionen von Studierenden genommen. Anstatt sich von denen betreuen zu lassen, hat sein Sohn dann das Material von den Studierenden geborgen.“ Dann hat sein Sohn einfach mal selbst die Rolle des Betreuers übernommen.

Es sind auch diese privaten Einblicke, die den Studierenden in Erinnerung bleiben. Nach zehn Tagen kehren sie schließlich völlig geschafft und müde nach Göttingen zurück. Dort erwartet sie bereits wieder ihr Uni-Alltag und auch für Axel Bauer nehmen nun wieder andere Themen der Tätigkeit als Hochschulsportleiter mehr Zeit ein. Dann bleiben ihm aber immer noch das Kanupolo-Spielen auf dem Kiessee und die Kanu-Kurse in der Schwimmhalle bis es spätestens im nächsten Jahr wieder für ihn, seine Familie und die Studenten ins Wildwasser geht.

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