Zwischen Traditionshandwerk, Reiswaffeln und Computerproblemen: In Göttingen Grone hält eine Handbuchbinderei den Digitalisierungsbestrebungen im Printbereich stand. Buchbinderin Renate-Katrin Zimmermann zelebriert den Wert des handgemachten Buches und erklärt, warum sie niemandem zu ihrem Beruf raten würde.
Göttingen. Aus dem verhangenen Himmel regnet es Bindfäden und das trübe Licht lässt das Groner Gewerbegebiet im Westen Göttingens noch grauer erscheinen, als es ohnehin schon ist. Zwischen Lieferantenzufahrten, Lkws und Bauzäunen liegt hier ein Kleinod des traditionellen Handwerks versteckt. Ein Schild, das unauffällig an einem Parkplatz angebracht ist, weist auf die in dieser Umgebung unwahrscheinlich anmutende Existenz der Unikate Buchwerkstatt hin, eine Handbuchbinderei. Ein Pfeil lenkt Besucher in Richtung Hintereingang des Gebäudes, der den Zugang zu einer anderen Welt markiert.
Beinahe zeitgleich mit dem Geräusch der Türklingel setzt lautes Hundegebell ein, dem auch ein energisch aus dem Innern klingendes „Pavel, aus!“ keinen Einhalt gebietet. Als sich die Tür öffnet, erweist sich der Ursprung des Lärms als harmlos. „Der freut sich nur über jeden Besucher.“, erklärt seine Besitzerin. Renate-Katrin Zimmermann wirkt offen und herzlich. Die pragmatische Kleidung, die runde Brille und der lockere Dutt im Nacken verleihen ihr ein Aussehen, das assoziativ irgendwo zwischen Künstlerin und Pädagogin eingeordnet werden kann. „Kommen Sie erstmal mit in die Küche. Also eigentlich ist das ja auch mein Büro und der Gruppenraum.“ Ein schmaler, dunkler Flur, der von zwei Glasvitrinen gesäumt wird, führt in die Küche. Der Raum ist klein und etwas unordentlich. Größere Gruppen werden einige Mühe haben, sich hier zu versammeln. Auf dem Tisch steht zwischen Papierstapeln ein alter Laptop. Dahinter an der Wand hängen ausgeschnittene Comics, ein Setzkasten mit Sammelfiguren und ein Brett, auf dem sich Ordner und Mappen zu wackeligen Türmen stapeln. Die Tür zieren Zeitungsartikel über die Werkstatt. „Ich muss noch kurz was am Computer machen. Das nervt mich total, aber die Kommunikation funktioniert nun mal nicht anders. Das ist keine praktische Arbeit und wird auch nicht bezahlt.“
Die Leute haben manchmal keine Vorstellung davon, was ein Buchbinder eigentlich leisten kann.
Jeder Raum der Werkstatt gleicht einem Wimmelbild. Auf den ersten Blick überfordert die schiere Masse an großen und kleinen Maschinen, Regalen voll mit Papierbögen, Büchern in unterschiedlichen Farben und diversen Gegenständen, die die Vielfältigkeit der Papierkunst demonstrieren. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass in jedem noch so kleinen Detail die Liebe zum Buch steckt. In den Vitrinen liegen sorgfältig beschriftete Bücher aus aller Welt und historische Werkzeuge. Ein bunt illustriertes indisches Palmblattbuch hängt von der Decke. Neben einem Beutelbuch in mittelalterlichem Stil mit Verschlussschnallen und einem Buch mit japanischer Bindung, die außen herum verläuft, liegt dort auch ein winzig kleines Buch unter einem Vergrößerungsglas.
Die Werkzeuge sind sorgfältig mit kleinen Schildern beschriftet. In der Vitrine liegen unter anderem ein Achatstein, mit dem Goldfolie glänzend gerieben wird, und eine gebogene Filete, die zum Einprägen von Verzierungen genutzt wurde. Auch das Vergoldewerkzeug dient nur noch als historisches Anschauungsobjekt. Die Einbandgestaltung ist einer von vielen Arbeitsschritten in der Handbuchbinderei. Früher wurden Prägungen von Schriften und Mustern von Hand auf dem Einband aufgebracht und Hitze und Druck nach Gefühl reguliert. Um gleichmäßige Ergebnisse garantieren zu können, übernimmt diese Arbeit heute ein mechanischer Prägnant. Die Technik bleibt aber die gleiche.
In handgebundenen Büchern bilden Inhalt und Form eine ästhetische Einheit.
An einer Tür hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Scriptorium“. Dahinter befindet sich ein kleiner Raum, in dem ein Prägnant und ein historisches Schreibpult stehen. An der Wand hängen verschiedene Werkzeuge und in Schubladen auf und unter dem Tisch reihen sich die grauen Lettern diverser Schriftsätze aneinander. Aus einem Schriftkasten sucht Zimmermann die Lettern heraus, die sie für die Prägung eines Einbandes benutzen will. Sorgfältig wählt sie die Schriftfamilie aus, die am besten den Inhalt des Buches ergänzt, denn Inhalt und Form bilden für die Buchbinderin immer eine ästhetische Einheit. Konzentriert setzt sie die Buchstaben in Form und stellt am Prägnanten Hitze und Druck ein. Damit die Prägung vergoldet wird, legt sie eine Folie mit hitzeaktiver Klebeschicht vor den Einband. Bei der Prägung verschmelzen die Farbpigmente mit dem Einbandmaterial. „Das ist dann nicht nur oberflächlich und gibt diese ganz besondere Haptik:“ Das Prägen selbst funktioniert also noch wie zu Gutenbergs Zeiten – auch wenn es in der Ausführung ein bisschen leichter geworden ist. „Das ist ein ganz tolles Gefühl, so zu arbeiten, wie vor hunderten von Jahren schon gearbeitet wurde. Dann fühle ich mich auch verbunden mit so einer alten Zeit“.
Das Setzen und Prägen von Schrift erfordert sehr viel Konzentration und gründliches Arbeiten. Ursache und Wirkung liegen in der Buchbinderei dicht beieinander und ein Setzfehler kann einen kostbaren Einband ruinieren. Auf der anderen Seite ergeben sich daraus auch schnell sichtbare Fortschritte und Erfolgserlebnisse. Genau das macht den Reiz des Handwerks aus, erklärt die Buchbinderin: „Ich habe häufiger schon Studenten als Praktikanten gehabt, die nach einer langen Studienphase richtig danach gedürstet haben, etwas Praktisches zu tun.“ Es klingelt, Pavel bellt.
Bücher fliegen jetzt teilweise in den Container. Dafür habe ich mir den Rücken krummgemacht.
Der Kunde ist Jan Peter Toennies, international renommierter Physiker und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Strömungsforschung. Toennies und Zimmermann kennen sich von früher, denn vor ihrer Selbstständigkeit hat Zimmermann die Buchbinderei am Institut geführt. Gemeinsam erinnern sie sich an die Geschichte der Werkstatt. Zuerst übernahm Zimmermann die Buchbinderei in der Otto-Hahn-Bibliothek am Fassberg, als der vorherige Besitzer in den Ruhestand ging. Dort konnte sie aber nur ein Jahr bleiben. „Dann wollten die den Raum, der wirklich klein war, für Akten benutzen und dann wurde das ganze Equipment runter in die Strömungsforschung gebracht.“ Dort baute sie alles neu auf, musste aber auf den direkten Anschluss zur Bibliothek verzichten. Immerhin konnte die Werkstatt sich dort zunächst halten. Ein Glück, das nicht vielen Werkstätten zuteil wurde. „Ich habe miterlebt, wie einzelne Werkstätten nach und nach aufgelöst wurden und dieser Schatz, den die Max Planck eigentlich hatte, ging so nach und nach verloren. Es ist traurig, das mit anzusehen, da bekommt man einen Kloß im Hals.“ Toennies stimmt ihr zu: „Ja so ist die Zeit. Das kommt natürlich durch die Automatisierung und Computer und Internet und alles.“
Toennies und Zimmermann tauschen Anekdoten über die Bibliothek aus und unterhalten sich über alte Kollegen und die Kurzlebigkeit wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Die Buchbinderin und der Wissenschaftler teilen die Liebe zum handgebundenen Buch und die Abneigung gegen Computer. Der Physiker inspiziert die Papiersorten im Regal, während Zimmermann die Wertigkeit betont, die handgebundene Bücher ausmacht: „Die fliegen jetzt teilweise in den Container. Dabei ist das viel Arbeit so ein Buch zu machen. Dafür habe ich mir den Rücken krumm gemacht. Das ist so eine Beliebigkeit.“ „Ja, das tut richtig weh. Also der alten Generation, der jungen Generation tut das nicht mehr weh.“, erwidert Toennies traurig lächelnd und berichtet von den Schließungsplänen einer Bibliothek. „Das kann ja nicht sein, wenn jemand wissenschaftlich recherchiert, guckt er bei Wikipedia nach.“ Heute lässt der Physiker in der Buchwerkstatt nichts fertigen, sondern nur auseinander nehmen. Die Seiten des Buches, das er mitgebracht hat, löst Zimmermann sorgsam vom Einband. „Das ist das Schöne, dass man das jetzt einscannen kann. Da hat mein HiWi ein Gerät für.“, sagt er.
Ich kenne keine andere Tätigkeit bei der die Zeit so schnell rum geht.
Als Toennies gegangen ist, lässt Zimmermann ihren Blick durch die Werkstatt schweifen. Die Regale an den Wänden reichen bis zur Decke und sind gefüllt mit Material. Dazwischen stehen ein großer Tisch, eine Pappschere, eine Presse und eine Schneidemaschine. Zum Glück ist die Werkstatt geräumig. Der dezente Geruch von Papier und Pappe vermischt sich mit dem von Pavel, dessen Spielzeug überall auf dem Boden verteilt ist. „Ich bin hier ein bisschen die Retterin der geschlossenen Werkstätten geworden“, sinniert Zimmermann. Alle Werkzeuge und Maschinen hat sie anderen Buchbindereien abgekauft. Historisches Werkzeug, das für andere keinen Wert mehr hat, sammelt sie in ihrer Vitrine. „Das ist für mich was ganz Wertvolles, weil es Göttinger Buchbinder- Historie ist“, erzählt sie stolz, während das Ende ihres Satzes von den Geräuschen der riesigen Papierschneidemaschine abgeschnitten wird.
Auf dem Tisch liegt ein sehr mitgenommen aussehendes Märchenbuch. Zimmermann wiegt das Buch vorsichtig in der Hand. „Schwierige Reparaturen sind nichts worauf ich mich freue. Das ist wahnsinnig viel Arbeit, die ich so gar nicht verrechnen kann.“ Bücher wie der alte Märchenband haben für Kunden einen hohen ideellen Wert. Deshalb lässt sich Zimmermann auf die komplizierten Reparaturen ein und hört sich die dazugehörige Geschichte an. Das Zuhören lässt sie sich nicht bezahlen, auch wenn es Arbeitszeit ist. Ein perfekter Arbeitstag wäre es für sie hingegen, wenn kein Zeitdruck herrscht, sie gestalten kann, alles leicht von der Hand geht und am Ende des Tages etwas fertig ist. Diese Tage sind aber selten. „Es gibt nicht den Dienst nach Vorschrift. Immer wieder hat man Aufträge, die man vorher noch nie gemacht hat. Das ist dann auch ein Nervenkitzel, ob es am Ende klappt.“
Bei mir dreht sich alles ums Buch. Das ist wie eine Droge.
Die Mittagspause läutet das Brummen der Kaffeemaschine in der Küche ein, die Zimmermann extra für Besucher gekauft hat. Auf dem Kühlschrank steht ein Universaldrucker und das Geschirr im Schrank klirrt unter den Erschütterungen im Industriegebiet dauerhaft vor sich hin. Zu dem Kaffee in einer Tasse mit Bücheraufdruck gibt es Reiswaffeln. „Ich habe so ein bisschen ein Preisproblem. Da ich selber nicht viel Geld habe, habe ich Skrupel, das zu nehmen, was ich eigentlich nehmen müsste.“ Die hohen Bereitstellungskosten und die Versicherungen im Handwerk sind ein großes Problem: Pflichtbeiträge für Handwerkskammer und Berufsgenossenschaft, Versicherungen, laufende Kosten, Material und Werbung. „Ich muss erstmal ganz viel arbeiten, um die Kosten herauszubekommen, die entstehen. Ich bin total am knapsen.“ Zimmermann rechnet vor, dass Reparaturen meist ein Minusgeschäft sind und sie teilweise für einen Stundenlohn von fünf Euro arbeitet. „Manchmal ärgert es mich auch, besonders wenn Leute, die eigentlich Geld haben, versuchen den Preis noch zu drücken.“
Die Arbeit ist anstrengend. Vor allem organisatorische Aufgaben neben der reinen handwerklichen Tätigkeit sind für Zimmermann, die keine Mitarbeiter hat, eine Belastung. Dennoch liebt sie ihren Job: „Bei mir dreht sich alles ums Buch. Das begeistert mich so, durchdringt mich richtig, das ist wie eine Droge.“ Dabei hat die 53-Jährige auf Umwegen zur Buchbinderei gefunden. Nach einer Ausbildung zur Ergotherapeutin hat sie Diplompädagogik studiert und erst ein Unfall zwang sie dazu, umzuschulen. Die Suche nach einem Ausbildungsplatz mit Mitte dreißig war schwierig aber über Vitamin B schließlich erfolgreich. Obwohl Zimmermann in einer, wie sie selbst sagt, bibliophilen Familie aufgewachsen ist und schon als Kleinkind einfache Bücher hergestellt hat, musste sie in der Ausbildung ganz vorne anfangen. „Ich habe eine Berufsfachschulausbildung, ich habe ein Unistudium und Lehre und Meister – und letzteres war mit Abstand das Schwerste.“, stellt sie im Nachhinein fest. Der Druck war hoch, denn um überhaupt eine Chance zu haben, irgendwo einen Job zu bekommen, mussten ihre Noten hervorragend sein. Bis heute hatte Zimmermann einige Praktikanten. Aber sie würde niemandem empfehlen, die Ausbildung zu machen, der es nicht bedingungslos will.
Ich habe es nie bereut, ich liebe diesen Beruf. Es wäre der schönste Beruf der Welt, wenn man damit kein Geld verdienen müsste.
Nach der Mittagspause will Zimmermann ein Buch lumbecken. Das Lumbeck-Verfahren hat die Taschenbuchindustrie revolutioniert und ist heute ein Kennzeichen für ein qualitativ hochwertiges handgebundenes Buch. Beim Lumbecken werden die Seiten aufgefächert und so die Oberfläche, auf die der Kleber aufgetragen wird, erhöht. „Die wenigsten haben ein gutes Buch zuhause.“, erklärt Zimmermann, während sie die Seiten maschinell aufspannt und mit Leim bestreicht. Denn ein gebundenes Buch ist nicht gleich gut. Auch ein Hardcover kann aus Einzelblättern bestehen, die durch eine oberflächliche industrielle Klebebindung zusammengehalten werden. Den gelumbeckten Papierstapel presst Zimmermann zum Trocknen zwischen zwei Platten ein.
Um zu demonstrieren, woran genau man ein gutes Buch erkennt, holt sie hinter Papierbögen und in einer Truhe versteckte Bücher hervor. Wer ein hochwertiges Buch erkennen will, sollte auf den Einband, die Hinterklebung, das Vorsatzpapier, das Kapitalband und die Bindung achten. Das Vorsatz ist ein Doppelblatt und verbindet den Einband mit dem Buchblock. Es bildet einen Gegenzug zum Einband, der sich sonst verziehen würde. Das Kapitalband liegt bei handgefertigten Büchern immer direkt auf dem Schnitt auf. Bei der industriellen Produktion verrutscht es häufig. „Ein Hauptmerkmal, an dem Sie erkennen, ob es Handwerk ist oder Industrie, ist der 90 Grad Falz.“, erklärt die Buchbinderin. Der Falz ist die Einkerbung im Einband zwischen Rücken und Deckel. Der
Einband liegt nur dann fest an dem Papierblock an, wenn der Falz von Hand eingerieben wird. In der Industrie wird ein Falz mithilfe einer Schablone suggeriert. Das hat zur Folge, dass darunter ein Hohlraum entsteht. „Es reizt mich immer in der Buchhandlung mit dem Nagel den Industrie-Falz einfach kaputtzumachen.“, sagt Zimmermann und grinst.
Was soll jemand, der nicht weiß, was er schreiben möchte, mit einem leeren Buch.
Für den Einband eines Gästealbums sucht sie aus einem Regal stabile Pappe hervor, nimmt Maß und schneidet die Einzelteile mit der Pappschere zu. Währenddessen erzählt sie davon, wie es ist, in einem Handwerk zu arbeiten, für dessen Erzeugnisse der Markt kontinuierlich kleiner wird. Weil es zu wenige ausbildende Werkstätten gibt, gibt es seit 2010 keine Buchbinderinnung mehr. Die alten Meister halten trotzdem noch Kontakt und tauschen sich aus. Neuen gegenüber zeigen sie sich nicht besonders offen. Wer Werbung macht wird belächelt, Unterstützung von Fremden findet nur wenig statt. Zimmermann tauscht sich bei Fragen und Problemen telefonisch mit einer Kollegin aus, die im Süden Deutschlands arbeitet. Nur die Entfernung sorgt dafür, dass sie keine Konkurrentinnen sind. Der Umgang mit Konkurrenz fiel Zimmermann lange Zeit schwer. „Mich schreckt Konkurrenz sehr ab. Ich ziehe mich eher zurück als offensiv zu werden. Inzwischen glaube ich aber, dass ich was anderes biete, eine andere Nische bediene. Meine Hoffnung ist, dass die Leute zu mir kommen, die etwas Besonderes wollen.“
Ich verstehe mich als Künstlerin und als Dienstleisterin.
In ihrer Werkstatt hat Zimmermann eine kleine Ladenecke, in der sie individuell gestaltete Notizbücher, Leporellos, Klemmbretter, Papierkunst und sogar selbstgemachten Schmuck anbietet. Aber der Verkauf läuft schlecht. „Marketing ist mein Pferdefuß. Ich kann auf der Website nichts verändern und ich kann es mir nicht leisten, Flyer zu drucken oder Anzeigen zu schalten.“
Die Buchwerkstatt liegt zu weit außerhalb, weder Einheimische noch Touristen machen sich die Mühe extra ins Industriegebiet zu fahren. Dabei bietet Zimmermann neben den üblichen Dienstleistungen auch historische Führungen, Kurse für Kinder und Erwachsene und kulturelle Veranstaltungen in ihrer Werkstatt an. Die Kurse sind beliebt. Die passionierte Buchbinderin hat Interessenten aus ganz Deutschland. Wer aber im Kurs ein eigenes Werkstück produziert, sieht sich danach nicht mehr im Laden um. Ihr kleines Museum würde sie gerne ausbauen. Als richtiges Museum wird ihre Sammlung aber nicht anerkannt und Fördermittel oder andere Unterstützung bleiben aus. Die ausgebildete Ergotherapeutin kann sich auch vorstellen, therapeutische Arbeit zu leisten, denn Buchbinden ist als ergotherapeutische Methode anerkannt. Um eine Therapie anzubieten, müsste ihre Werkstatt aber mit allen Bestandteilen einer vollständigen Praxis ausgestattet sein, was weder finanziell noch räumlich realisierbar ist.
Etwa zweimal im Jahr finden Lesungen, Konzerte oder Theateraufführungen in der Unikate Buchwerkstatt statt. Vor ein paar Jahren hat Zimmermann einmal ein japanisches Papiertheater aufgeführt. 70 Leute haben die Werkstatt gefüllt. „Hat mich selbst gewundert dass so viele kamen.“, sagt sie heute dazu. In Zukunft sollen mehr solcher Veranstaltungen den Arbeitsalltag ergänzen, vor allem Lesungen sind geplant. Zimmermann sitzt auf ihrem Schreibtischstuhl am Küchentisch und krault Pavels Kopf. Ein verschmitztes Grinsen huscht über ihr Gesicht, als sie erzählt, dass sie gerade mit ein paar Freunden einen Verlag nur für handgefertigte Bücher gründet und schon die ersten Autoren dabei sind.
Ich investiere hier meine Lebenszeit. Das ist mir erst über die Jahre klar geworden. Es sind viele viele Stunden, die ich hier umsonst gearbeitet habe damit jemand anderes ein gutes Buch bekommt.
Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft wünscht, wird die Buchbinderin etwas nachdenklich und antwortet schließlich: „Mein Wunsch ist einfach, dass ich die Zeit, die ich investiere, auch bezahlt bekomme und eine Wertschätzung für das erfahre, was ich da tue. Als Auftrag würde ich mir manchmal das ganz normale Buch wünschen. Das habe ich kaum. So stinknormal Hardcover, Prägung, keine ellenlange Beratung und pünktliche Bezahlung.“