Es ist Donnerstag, 7 Uhr morgens.
Die Sonne kämpft sich ihren Weg durch die Dunkelheit der Nacht.
In einem tiefen, warmen Orange blitzen die ersten Sonnenstrahlen durch die von Kondenswasser benässten Fenster in das große Zimmer. Die saftig grünen Blätter der Monstera pflanzen auf der Fensterbank schlagen dunkle Schatten auf die Wände.
Das Leben ist schön.
Es ist Donnerstag, 7:30 Uhr morgens.
Plötzlich einsetzendes Rumpeln und Krächtzen durchbricht das sanfte Morgenrot. Sie sind wieder da: die Bauarbeiter im Nachbarhaus. Der Boden des dritten Stocks fängt zu beben an. Zu dem Baulärm gesellt sich genervtes Stöhnen meiner Mitbewohnerin im Nebenzimmer.
Es ist Donnerstag, 14 Uhr mittags.
Der Baulärm treibt die Wohngemeinschaft in den Wahnsinn. Niemand von uns wagt es zu reden.
Migräne macht sich breit und lässt meinen Kopf im Rhythmus der Kreissäge dröhnen. Wruuum. Wruuum. Dazu gesellt sich die Stimme meines Dozenten aus dem bereits seit Stunden laufenden Laptops. Er sagt, er möchte uns in Breakout- Rooms schicken. Mir ist nicht bewusst weswegen. Wrumm. Wruumm. Mein Kopf dröhnt. Auf der Straße wird Zement angemischt und vom Anhänger des grünen Wagens geschaufelt. Lautes scharben über den Boden des Hängers legen sich wie eine musikalische Untermalung zur Stimme meines Dozenten. Es mag wohl gegen 15 Uhr sein, als das Seminar sein Ende findet. Die Bauarbeiten jedoch noch nicht.
Es ist Donnerstag, 17 Uhr.
Meine Mitbewohnerin verabschiedet sich. Die Tür knallt ins Schloss. Die Sonnenstrahlen kitzelt auf meiner Nase und ich schlafe ein. Wrumm.
Es ist Freitag, 6 Uhr früh.
Hinter den Häusern des Engelbostler Damms färbt sich der Himmel von Rot zu Blau. Ich beseitige die Reste der Nacht. Ein Register Ibuprophen und ein Kühl Pack liegen neben dem Kopfkissen. Ich torkel in die Küche. Nehme mir das einen Becher von der Küchenzeile und fülle ihn mit Wasser. Es ist ein durchsichtiger Plastikbecher mit einem blauen Aufdruck eines Luchses und dem Schriftzug “Hurricane Festival”. Während ich einen großen Schluck Wasser nehme, denke ich an den Becher. Und an das Festival in Scheeßel. 2017 müsste das gewesen sein. Ich hatte seit einem Jahr meinen Führerschein und ein paar Tage zuvor meine Abschlussprüfungen hinter mir gebracht. In ein paar Tagen würde meine Abifeier stattfinden.
Das Leben war gut.
Durch die große Balkontür flutet ein warmes Licht den Raum. Ich öffne die Tür, stelle mich raus. Mitten in die Sonne. Trotz Temperaturen unter null friere ich nicht. Im Gegenteil. Die Haare an meinen Armen stellen sich auf, es fühlt sich an, als würde mein Körper versuchen so viel Vitamin D wie möglich aufzunehmen. In der großen Eiche unseres Nachbarn sitzt eine Möwe und scheint mich anzugrinsen. Ihr weißes Gefieder reflektiert das Sonnenlicht so sehr, dass es fast schon blendet.
Sie schreit. Ich gähne.
Freitag, 7 Uhr morgens.
Wieder fahren die grün lackierten Transporter um die Kurve. Wieder beginnt der Lärm. Jeder Versuch sich abzulenken oder zu lernen scheitert kläglich. Resignierend drehe ich die Musik auf und beginne die Wohnung aufzuräumen. Die Stimme von Casper versucht den Baulärm zu übertönen als er singt “lang lebe der Tod”…
Freitag, 9 Uhr morgens.
Ein leises “klack” aus Richtung des Bades signalisiert, dass die Wäsche fertig ist. Ich verteile mein graues Bettlaken und den Bettbezug über den Türen der Wohnung. Währenddessen fühle ich mich ausgelaugt und gestresst. Ich muss heute noch eine Reportage für das Seminar von gestern schreiben und hochladen…
Freitag, 12 Uhr mittags.
In meiner Jackentasche klingelt das Handy mit dem typischen I Phone Klingelton. In einem verzweifelten Tonfall berichtet die Betriebsleitung von einem krankheitsbedingten Ausfall der Frühschicht. Ob ich heute eher zur Arbeit kommen kann, fragt sie mich. “Ja klar”, höre ich mich sagen, “Kein Problem. Ich bin in ner Stunde da”. Sie dankt. Wir legen auf.
Samstag, 0:30 Uhr.
Müde stolpern Justin und ich in die Küche. Der Boden ist rutschig vom Fett der Frittöse. Das Display unserer Zeiterfassung leuchtet auf als wir näherkommen. Ich drücke auf die rote Schaltfläche mit der Aufschrift “Gehen” und halte meinen Plastikchip ran. Pieeeeeep. Das Display zeigt “Auf Wiedersehen, Svenja!”
Samstag, 1 Uhr.
Die Wohnung ist dunkel und der Geruch trockener Heizungsluft zieht mich ins Bett.
Ich schalte den 7 Uhr Wecker an und meine Augen werden schwer. “Morgen geht’s wieder los..”,
denke ich.
Das ist also das Leben…?