Es ist düster, laut und die Stimmung ist ausgelassen – für gewöhnlich ist das die Kulisse eines Techno Events. Die feiernden Gäste des Underground-Clubs Tiefgang tanzen zu schnellen und drückenden Bässen, die ihnen die DJs vorgeben. Inmitten des ganzen Partytrubels befindet sich Joy Stöckmann, die heutige Veranstalterin. Unter den Techno-Liebhabern in Hannover ist sie bereits bekannt, vor allem unter denjenigen, die sich nach einem außergewöhnlicheren Genre der Musikszene sehnen. Wer einmal ein Event dieser Art besucht hat weiß, sich auf länge Nächte und einen anhaltenden Druck auf den Ohren gefasst zu machen. Doch was passiert hinter den Kulissen? Wie viel Planung steckt hinter dem Ganzen, was beinhaltet sie und was ist zu beachten?
Mittlerweile ist die 26-Jährige seit etwa zwei Jahren in der Szene. Bevor sie selbst in die Planung ging, zählte sie einige Jahre zu den Feiernden der Technoszene. Sie hatte somit die Gelegenheit, die Entwicklung innerhalb der Szene am eigenen Leib zu erfahren. Musikvorlieben und Veranstaltungskonzepte befinden sich in einem stetigen Wandel. In der Rolle des Gastes konnte Joy beobachten, was andere Eventplaner machen, was sie nicht machen oder was sie hätten besser machen können. Dieses Wissen hat sich Joy zu Nutze gemach.
Die Möglichkeit, selbst in der Branche tätig zu werden erhielt die gelernte Industriekauffrau durch einen Zufall. Auf einer selbst organisierten Geburtstagsfeier in dem Club Intensivstation kamen sie und ihr guter Freund Jamin in Kontakt mit dem damaligen Manager der Räumlichkeiten. Da die Feier an diesem Abend sehr gut besucht war, unterbreitete er den beiden den Vorschlag, weitere Veranstaltungen zu organisieren. Fortan sollten sie für eine Veranstaltung im Monat die Planung übernehmen. Die Räumlichkeiten entsprachen anfangs keineswegs ihrem Geschmack, allerdings lockte die Musik einige Besucher an und somit feierten die beiden erste Erfolge. Dark Techno war zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit verbreitet in der Clubszene Hannovers. Das Genre wird gemeinhin als düster und maschinell bezeichnet. Beliebt waren ihre Dark Techno Events vor allem unter den Feiernden, die sich von kommerzielleren Clubs zu distanzieren versuchten. Im Dezember 2016 wurden Joy und Jamin dann vor die Wahl gestellt, die Verantwortung für die Intensivstation auf sich zu nehmen. Sie bekamen drei Monate Zeit sich selbst unter Beweis zu stellen. Die beiden erstellten ein völlig neues Konzept für den Club und managten von nun an acht Events im Monat. Trotz mangelnder Erfahrung im Vorfeld war ihr Vorhaben mithilfe von anderen Organisatoren aus der Gegend erfolgreich. Schnell wurden Kontakte aufgebaut und die ersten Events etablierten sich. Jamin wurde über den Club eingestellt und da Joy zu diesem Zeitpunkt arbeitssuchend war, haben die Freunde täglich von morgens bis abends gearbeitet. Sie planten, verbreiteten Werbung und gestalteten die Räume der Intensivstation komplett um: „Wir haben angefangen alles zu planen und einzukaufen und dann eine Woche radikal umgebaut. Alles rausgerissen und wieder neu gebaut, auch selbstständig mit den Leuten, die dort veranstalten oder dort feiern.“ Somit entstand innerhalb von kurzer Zeit eine große Community aus Freunden und auch aus Gästen. Im Mai änderte sich dann der Name des Clubs. Für sie war es an der Zeit für einen Imagewandel und um den Technogenre gerechter zu werden, wurde die Intensivstation zum Tiefgang.
Bei der Planung von Veranstaltungen muss Joy die eigenen Wünsche und Vorstellungen mit denen des Publikums vereinbaren. Zunächst muss sie miteinbeziehen, mit wie vielen Gästen sie rechnen kann, um einen fairen Eintrittspreis festzulegen. Abhängig ist das allerdings nicht nur von der Anzahl der Gäste. Die Gagen für DJs sind wie für jeden anderen Musiker mal höher und mal niedriger und sind somit ausschlaggebend für das vorhandene Budget. Selbstverständlich ist es nicht im Sinne des Eventplaners am Ende der Nacht Verluste zu machen. Hierbei ist das richtige Line-up entscheidend. Joy muss sich nach den DJs und ihrer Musik richten und sich überlegen, welcher Stil für bestimmte Uhrzeiten angemessen ist. Für gewöhnlich ist ihr Line-up so aufgebaut, dass sich der Techno in der Härte und Schnelligkeit steigert, umso später es wird. Auch die Betreuung der Künstler zählt zu ihren Aufgaben. Für bekanntere DJs aus anderen Städten ist sie vor, während und nach der Veranstaltung zuständig. Häufig werden diese von Joy vom Bahnhof abgeholt und zum Hotel oder dem Club gebracht. In selteneren Fällen führt sie sie zum Essen oder in eine Bar aus. Diese Dinge werden allerdings vorab mit der Booking Agentur besprochen. Nach jedem DJ Set stellt sie sicher, dass das Equipment bereits ausgewechselt ist, sollte dies notwendig sein. Zudem steht sie im ständigen Austausch mit den Künstlern. Oft erkundigt sie sich, ob alles in Ordnung ist und ob sie noch etwas tun kann. Ein allgemeines Wohlbefinden der DJs ist für Veranstalter wie Joy von großer Bedeutung und das kann nun mal nicht nur durch das Bereitstellen von Getränken im Backstagebereich ermöglicht werden.
Selbstverständlich ist das Ganze auch mal mit Stress verbunden. Eine defekte Soundbox, ein fehlendes Kabel und einige Leute, die sie etwas fragen möchten. So richtig stressig ist es für sie wiederum nur, „wenn fünf Leute gleichzeitig mit einem reden wollen und man dazu auch noch angefasst wird.“ Hierbei muss Joy einen kühlen Kopf bewahren, denn meistens bleibt ihr bei der Bewältigung solcher Probleme nicht viel Zeit. Joy muss mit ihrem Team kommunizieren und sich klar ausdrücken. Sie muss Aufgaben abgeben und einzelne Personen anleiten oder überwachen. Nach einiger Zeit sind diese dann in der Lage, selbstständig zu arbeiten und Probleme frühzeitig zu erkennen. „Die Leute die mir da helfen haben auch Spaß dabei und ich denke mal, dass ich auch gut mit den Leuten umgehen und reden kann.“ Neben den Verpflichtungen versucht Joy etwas Zeit für jeden Freund und Bekannten zu finden oder etwas Zeit zum Tanzen zu haben. Ihr ist es wichtig, dass möglichst jeder den Club mit einem Lächeln im Gesicht verlässt. Der Wunsch nach hohen Umsätzen steht dabei weit im Hintergrund.
Inzwischen hat Joy Stöckmann für schätzungsweise vierzig Veranstaltungen die Verantwortung übernommen. Darunter haben sich zwei Veranstaltungsreihen fest etabliert, die „Rabiat“ und die „Abgang im Tiefgang“. Nach der ersten Rabiat gründete Joy das gleichnamige Kollektiv. Fester Bestandteil dieses Kollektivs sind die DJs Jay Me, Jay B, Basstrologe und die DJane Lydia Fox. Abgesehen von der Rabiat sind sie ebenfalls bei einigen anderen Veranstaltungen im Tiefgang vertreten. Doch auch außerhalb des Clubs verbringen sie viel Zeit miteinander. Des Weiteren stehen Joy und die DJs in Kontakt mit Kollektiven anderer Städte, wie zum Beispiel Augsburg, Mannheim oder Köln. Bei auswärtigen Auftritten können die Mitglieder des Kollektivs häufig auf die Unterstützung der anderen hoffen. Andererseits übernehmen die DJs auch andere Aufgaben. Sei es die Erstellung von Grafiken für Events oder die Betreuung der eigenen Soundcloud Seite, jedem wird von Zeit zu Zeit ein Auftrag zugeteilt.
Joy versucht stark darauf zu achten, ihre Planung in einem familiären Rahmen zu halten und mit befreundeten DJs zu arbeiten. Trotzdem kommen Newcomer bei ihr nicht zu kurz. Gerne gibt sie diesen die Chance hinter den Decks zu stehen und ihr Können unter Beweis zu stellen. Je nach Lust und Laune und der freien Zeit organisiert sie neben der Rabiat und der Abgang im Tiefgang noch weitere Veranstaltungen, die neue Talente aus Hannover und der Umgebung fördern. Ausnahmslos vertreten diese das Genre Techno oder Dark Techno. Ihre Musikvorliebe richtet sich nach düsteren und dumpfen Klängen und daher heben sich ihre Veranstaltungen stark vom mittlerweile sehr verbreiteten Mainstream-Techno ab. Kommerzielle Musik zu vertreten würde Joy, wie sie sagt, wenig Freude bereiten. Doch ihre Liebe zum Techno hat noch lange kein Ende gefunden.
Auch in Zukunft wird man noch mehr von Joy und den Rabiat DJs hören können. Erst kürzlich hat sich das Kollektiv einen Platz in einer Radioshow ergattert, bei der die DJs im Abstand von vier Wochen ihre Musik zum Besten geben. Zudem plant sie die Rabiat auch in anderen Städten stattfinden zu lassen und weiterhin mit anderen Veranstaltern zu arbeiten. Ansonsten möchte Joy es vorerst ruhig angehen lassen. Bereits am Anfang des Jahres arbeitet sie an Veranstaltungen, die erst viele Monate später stattfinden sollen. In ihrem Privatleben ist sie sehr beschäftigt damit, in Kontakt mit anderen DJs und Kollektiven zu bleiben. Daher muss sie oft erreichbar sein. „Man lernt sehr viele Veranstalter und DJs aus aller Welt kennen und fährt sie teilweise auch besuchen, oder auf andere Veranstaltungen in andere Städte und hat da schon Freundschaften geschlossen.“ Während ihrer Events hält sie sich allerdings lieber im Hintergrund und bindet auch niemandem auf die Nase, was sie da tut und mit wem sie in Verbindung steht. Ihr gefällt es nicht im Mittelpunkt zu stehen. Aus diesem Grund möchte Joy den Beruf der Industriekauffrau weiterhin ausüben und das Organisieren von Events vorerst als Freizeitbeschäftigung ansehen. Ihr Interesse gilt lediglich dem Techno und Dark Techno Genre und eine Zusammenarbeit mit kommerziellen Musikern wäre keineswegs eine Option für sie. Nichtsdestotrotz wird Joy die Dark Techno Szene in Hannover auch in Zukunft am Leben erhalten.