Es ist Januar. In Göttingen ist es eisig kalt und grau, doch in den Räumlichkeiten von Barbara Korte kann man noch einen letzten Hauch von Weihnachten spüren. Die restliche Feiertagsdekoration wartet darauf weggepackt zu werden und auf dem kleinen Konferenztisch steht ein Teller mit Christstollen. Schon bei der Begrüßung ist zu erkennen, dass Barbara Korte reichlich Theatererfahrung vorweisen kann. Eine klare Stimme und eine deutliche Aussprache sprechen für ein bühnensicheres Auftreten. Sie ist die Leiterin des Theaters im OP, kurz ThOP. Das ThOP ist ein studentisches Theater der Georg-August-Universität Göttingen. Studenten aller Fachrichtungen und Theaterinteressierte können hier die praktische Bühnenarbeit kennenlernen, vom Schauspiel, über Regie, bis zur Beleuchtung.
Seit 2009 arbeitet sie dort als Geschäftsführerin, aber schon lange davor hat sie die Arbeit auf und hinter der Bühne gefesselt. Vor 17 Jahren begann sie ihr Studium der Deutschen Philologie und Mittleren und Neueren Geschichte in Göttingen. Schon im ersten Semester war sie Feuer und Flamme für das studentische Theater: „Es gab den allsemestrigen Infoabend und da bin ich hingegangen. Ich habe mir aufgeschrieben bei welchen Stücken man mitmachen kann, bin zu einer Probe hingegangen und dann war ich gefangen.“
In ihrem ersten Stück „Komödie im Dunkeln“ spielte Barbara Korte eine der Hauptrollen. Doch mit der Zeit war sie lieber hinter der Bühne aktiv: „Am besten hat mir das Inszenieren gefallen. Mir macht es einfach total Spaß, Leute, die sich nicht kennen, zu einer Gruppe zusammenwachsen zu lassen durch das Theater.“ Von der großen Bühne ist in dem kleinen Büro allerdings nicht viel zu spüren. Die Regale sind gefüllt mit Aktenordnern, ein Kopierer steht an der Wand und ein Schreibtisch am Fenster. Ein ganz normales Büro, ohne Vorhang, ohne Requisiten. Hier ist alles echt. Plötzlich springt Barbara auf. Die studentische Hilfskraft Franzi kommt in den Raum und wird herzlich von ihrer Chefin umarmt. Man wünscht sich ein Frohes Neues Jahr und bespricht kurz die Aufgaben, die Franzi erledigen soll. Hier scheint es sehr familiär zuzugehen. Als Geschäftsführerin muss sie Aufgaben erfüllen, die weniger mit Dramaturgie zu tun haben: Verträge unterschreiben, Abrechnungen, Öffentlichkeitsarbeit, etc. „Ich bin die, die nach außen das ThOP vertreten darf“, so Korte. Bei all der Verwaltung vermisst sie vor allem das, was sie als Studentin hinter und auf der Bühne getan hat. Sie möchte gerne mehr Stücke lesen, Stücke vorschlagen, bei Produktionen dabei sein. Natürlich darf sie die Produktionsteams beraten und Feedback geben, doch letztlich entscheidet das Team, wie sie ihre Produktionen auf die Bühne bringen, sie möchte niemanden in seinem Schaffen einschränken: „Jeder kann das machen, worauf er Lust hat.“
Wir gehen in den alten Operationssaal. Hier saßen früher zahlreiche Medizinstudenten und schauten bei den durchgeführten Operationen zu. Seit 1984 dient dieser Saal als studentisches Theater, in Form einer Arenabühne, bei der das Publikum um das Geschehen herum sitzt. Nun spürt man endlich den Flair des Theaters. Barbara erklärt sofort das aktuelle Bühnenbild: ein Theater im Theater. Das Stück „Ruth“ feiert im Januar Premiere. Darin geht es um die Geschichte des Theatergespenstes namens Ruth. Eine kleine Legende rankt sich um diesen Geist. Sie spielt gerne kleine Streiche und bringt den Ablauf durcheinander. Barbara Korte hofft, dass das kleine Gespenst Ruth nicht für den Schaden am Dach verantwortlich ist, der das ThOP in schwierige Zeiten brachte. „Schrecklich“, das erste Wort was ihr zu diesem Vorfall einfällt. „Ich erinnere mich noch genau als Lehm von der Decke fiel.“ Das Dach fing an zu bröckeln, ein Balken musste abgestützt werden, dann wurden noch zwei Stücke aufgeführt und das Theater war dicht. Es war nicht ganz klar, wann es wieder eröffnet werden sollte, da sich alles in die Länge zog. „Wir hatten Angst, dass, wenn wir so lange nicht spielen, wir vergessen werden.“ Alle Beteiligten stecken in das Theater Herzblut hinein, vor allem Frau Korte. Sie versuchte alles, damit der Betrieb weiterging. Es wurden Ersatzräume gesucht, auch wenn sie noch so klein und schmal waren. All das bedeutete zusätzliche Arbeit, doch im Rückblick kann sie dieser Zeit auch etwas Positives abgewinnen: „Wir haben gezeigt, was wir alles können, wenn wir es nur wollen.“ Von dieser Baustelle ist nichts mehr zu sehen und darüber ist sie auch mehr als froh.
Von der Bühne hinter die Kulissen. Alle Räume sind unter der Tribüne versteckt. Ein Maskenraum, die Garderobe und eine kleine Werkstatt. Barbara Korte öffnet die Schränke. Sie weiß genau, wo was zu finden ist. Als Studentin war sie bei fast jeder Theaterabteilung anzutreffen. Sie belegte Maskenkurse, kümmerte sich um die Beleuchtung, besorgte Kostüme. All dieses Wissen kam ihrer Funktion als Leiterin zugute. Mit einer Begeisterung erklärt sie jedes Detail, auch mal ein kleines Requisit, zum Beispiel eine alte Puppe ihrer Tochter, umfunktioniert zu einem festen Gegenstand eines ThOP-Stücks.
Im Maskenraum hängt eine Uhr. Es ist viertel nach Zehn. Sie muss schnell zu einem Treffen mit dem Gebäudemanagement, aber sie geht es ganz gelassen an. Bei dem Termin wird über ein Hinweisschild gesprochen. Viele Zuschauer finden den Eingang des Theaters nicht. Das muss sich so schnell es geht ändern. Schließlich ist das Publikum ein wesentlicher Bestandteil des Theaters. Der Termin ist nicht spektakulär, aber ihr Arbeitsalltag. Diese Arbeit führt sie mit Leidenschaft aus. „Das Beste an meiner Arbeit ist, dass sie ganz viel Neues jeden Tag, jede Woche, jeden Monat bietet.“
Doch das Theater im OP ist nicht nur eine Arbeitsstätte für sie, sondern war auch das Thema ihrer Magisterarbeit. Sie fragte Zuschauer und Mitwirkende des ThOPs was an diesem Theater so besonders ist. Ein Zitat wurde zu ihrem Arbeitstitel: „Weils einfach geil ist…“. Diese Aussage hätte auch von ihr selbst stammen können. Ihre Begeisterung für das Theater begann sehr früh. Schon zu Schulzeiten war sie bei Bühnenproduktionen beteiligt, umso mehr freute es sie, diese Passion auch im Studium ausleben zu können. Aus ihrem Hobby wurde Beruf, ein beneidenswerter Umstand. Etwas anderes wäre für sie auch nie in Frage gekommen. Ein Leben ohne Theater? Unmöglich für Barbara Korte: „Ich konnte nie ohne.“