Es ist der erste Donnerstag im Juli: Es ist zwar warm, aber dennoch bewölkt und es sieht nach Regen aus. Vor einem Reihenhaus in der Göttinger Südstadt steht eine zierliche junge Frau, die mir fröhlich, nett lächelnd zuwinkt. Es ist Anne F. Nach einer herzlichen Begrüßung führt mich die 22-Jährige in ihre helle und gemütlich eingerichtete Einzimmerwohnung. Auf dem Boden des großen Wohnraums liegt ein grauer, flauschiger Teppich, in der einen Ecke des Zimmers steht ein großes Bett, direkt daneben stehen ein Lesesessel und eine großes Stehlampe, ringsherum einige Zimmerpflanzen. „Ich wohne jetzt schon fast ein halbes Jahr in der Wohnung, aber so richtig fertig bin ich mit dem Einrichten der Wohnung noch nicht“, erklärt Anne, während wir uns an einen kleinen Esstisch setzen, der auf der anderen Seite des Raumes steht und der ihr zugleich als Schreibtisch dient.

„Das Tolle an meiner Ausbildung ist, dass sie sehr praktisch und abwechslungsreich ist und nicht jeder Tag dem anderen gleicht“

Anne F. über ihren Ausbildungsberuf

Anne befindet sich derzeit im zweiten Lehrjahr ihrer dreijährigen Ausbildung zur Biologielaborantin, die sie bei einem Forschungsinstitut in Göttingen absolviert. Die Ausbildung zur Biologielaborantin oder zum Biologielaboranten ist einer von insgesamt 326 in Deutschland anerkannten Ausbildungsberufen. Zu deren täglichen Aufgaben gehören zum einen das Arbeiten am Mikroskop, um beispielsweise kultivierte Zellen oder Bakterien zu begutachten, aber auch das Arbeiten an der Sterilwerkbank sowie die Wartung und Reinigung sämtlicher Geräte im Labor. Zum anderen führen Biologielaborant*innen Versuche wie die Polymerasekettenreaktion durch, über welche zugleich immer Protokoll geführt werden müssen. „Das Tolle an meiner Ausbildung ist, dass sie sehr praktisch und abwechslungsreich ist und nicht jeder Tag dem anderen gleicht, weil man sich danach richtet, was die Wissenschaftler für ihre Forschungen von einem benötigen“, berichtet Anne über ihren Ausbildungsberuf. Über sich selbst sagt die junge Frau auch, dass sie etwas Praktisches zu tun braucht und ein Beruf im Büro, bei welchem man überwiegend am PC sitzt, für sie nichts wäre. Als Biologielaborant*in müsse man zudem sehr verantwortungsbewusst sein und genau arbeiten, da man mit Chemikalien hantiert und deshalb jeder noch so kleine Fehler mit Folgeschäden verbunden sein kann. „Aber wenn am Ende eines Versuchs alles passt, dann ist man einfach stolz auf sich“, gibt Anne lächelnd zu. Man kann der jungen Frau deutlich anmerken, dass sie gerne im Labor steht und dort Versuche ausführt.

Auf ihren Ausbildungsberuf ist Anne bei der Recherche im Internet gestoßen. „Ich habe mich dann weiter über den Beruf und die Ausbildung informiert und habe dann gedacht, dass das passen könnte, weil mich Naturwissenschaften wie Biologie und Chemie schon immer interessiert haben“, erinnert sie sich zurück. Sie habe sich dann in Göttingen auf die ausgeschriebene Stelle beworben und diese nach einem langwierigen Bewerbungsprozess glücklicherweise bekommen. Ihr Beruf sei ein „außergewöhnlicher Beruf“, von dem man eher selten zu hören bekommt, erzählt die junge Frau erneut mit einem Lächeln auf den Lippen.

Die Corona-Pandemie änderte alles

Ihr Ausbildungsalltag sieht im zweiten Ausbildungsjahr eigentlich so aus: Einen Tag in der Woche hat Anne Berufsschule und die restlichen vier Tag verbringt sie im Betrieb. Doch mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich dies vorerst geändert: Ganz zu Beginn entschied sich ihr Betrieb dazu, zumindest im Labor einen einwöchigen Lockdown einzulegen und den Betrieb auszusetzen, um über das weitere Vorgehen zu beratschlagen. Es wurde dann entschieden, das Labor vorerst in Schichten mit je zwei Personen zu besetzen, damit der Betrieb trotz Covid-19 zumindest teilweise aufrechterhalten werden kann. Als Auszubildende durfte Anne nach dem Lockdown ihres Betriebs jedoch vorerst fünf Wochen lang nicht mehr ins Labor und damit auch nicht in den Betrieb. „Das war schon eine komische Zeit, eine so lange Zeit nicht an die Arbeit gehen zu dürfen und stattdessen nur zuhause zu sein“, berichtet Anne.

Inzwischen besteht ihre Woche nur noch aus zwei Tagen im Homeoffice und wieder zwei Tagen im Betrieb sowie aus einem Tag, der für die Berufsschule vorgesehen ist. Doch auch die Berufsschule hatte anfangs wegen Covid-19 geschlossen. Stattdessen wurde Homeschooling betrieben. Die Lehrer*innen ihrer Berufsschule ließen Anne und ihren Mitschüler*innen Aufgaben über ein Programm zukommen, welche dann bearbeitet wieder an sie zurückgeschickt werden sollten.

„Erst mal habe ich dann gedacht: ‚Oh wow, mehr Zeit zum Lernen. Gar nicht so schlecht.‘ Aber nach einer Zeit waren die Nerven am Boden, weil man diese Prüfung dann einfach nur noch schreiben will und nicht noch weiter vor sich herschieben will.“

Anne F. über ihre aufgeschobene Prüfung

Problematisch war insbesondere, dass die Corona-Krise zugleich die Prüfungsvorbereitung für die Zwischenprüfung der Ausbildung getroffen hat. In der Ausbildung zur Biologielaborantin beziehungsweise zum Biologielaboranten müssen zwei Prüfungen absolviert werden: Zum einen die Abschlussprüfung Teil 1, welche auch als Zwischenprüfung bezeichnet wird und zum anderen die Abschlussprüfung Teil 2 als endgültige Abschlussprüfung, mit welcher die Ausbildung beendet wird. Beide Teilprüfungen gliedern sich in eine schriftliche und eine praktische Prüfung. „Die Zwischenprüfung dient dazu, um zu schauen, wie der Azubi gerade steht und wie sein Leistungsstand ist“, erläutert Anne. „Nach dieser Prüfung entscheidet es sich auch, ob die Ausbildung drei oder dreieinhalb Jahre geht.“

Lange Zeit nicht möglich: Den Weg in die Schule wäre die 22-Jährige für die Prüfungsvorbereitung gerne öfters gegangen (Foto: Lisanne Schenker)

Eigentlich wären sowohl die schriftliche als auch die praktische Zwischenprüfung im Mai gewesen, doch wegen Covid-19 konnten die beiden Termine nicht gehalten werden. „Ich wurde dann von der Industrie- und Handelskammer Hannover, über welche die Ausbildung läuft, durch ein Schreiben darüber informiert, dass sich die Prüfungstermine ändern“, erinnert sich Anne zurück. „Erst mal habe ich dann gedacht: ‚Oh wow, mehr Zeit zum Lernen. Gar nicht so schlecht.‘ Aber nach einer Zeit waren die Nerven am Boden, weil man diese Prüfung dann einfach nur noch schreiben will und nicht noch weiter vor sich herschieben will.“

Ihre schriftliche Zwischenprüfung hat Anne dann schließlich erst am 16. Juni geschrieben. Die Corona-Krise sieht sie für die schriftliche Zwischenprüfung inzwischen als kleinen Vorteil: „Ich hatte durch die Umstände natürlich mehr Zeit zum Lernen, weil ich ja nicht in die Schule oder an die Arbeit musste.“ Andererseits sei wegen Covid-19 der Zusatzunterricht, der zur weiteren Prüfungsvorbereitung dienen soll, bis auf einige wenige Stunden ausgefallen, was Anne daher als persönlichen Nachteil empfindet.

Homeoffice statt Labor: Die praktische Erfahrung fehlt nun

Auch in Bezug auf die Vorbereitung ihrer praktischen Zwischenprüfung, welche nun für den 30. September angesetzt ist, empfindet Anne die Auswirkungen der Corona-Krise als Nachteil: Denn ihr fehlt nun die Zeit im Labor, wo sich einzig und allein praktische Erfahrungen sammeln lassen. Ein Labor kann man schließlich nicht wie einen Laptop mal eben mit ins Homeoffice nehmen. „Ich freue mich nun umso mehr, wenn ich jetzt wieder im Labor arbeiten darf“, gibt Anne zu, „Ich vermisse das praktische Arbeiten schon sehr. Das ist ja auch eine Sache, warum man den Beruf gewählt hat, weil man dieses Praktische gern macht.“ Wenn die Corona-Krise zwar den Verlauf der beiden Zwischenprüfungen ihrer Ausbildung getroffen hat, so geht Anne nicht davon aus, dass sich etwas am weiteren Verlauf ihrer Ausbildung verändern wird und sie diese wie geplant im kommenden Jahr beenden kann.

Die Zeit im Homeoffice sinnvoll genutzt: Anne beim Lernen für ihre schriftliche Zwischenprüfung (Foto: Lisanne Schenker)

Wenn Anne derzeit Corona-bedingt im Homeoffice ist, schreibt sie ihre Ausbildungsberichte, welche sie führen muss und in denen sie festhält, was sie an den Tagen im Labor gemacht hat. „Bevor ich die Zwischenprüfung geschrieben habe“, so erzählt Anne, „habe ich die Zeit im Homeoffice natürlich mehr zum Lernen genutzt als für die Berichte.“

Zusätzlich ist Anne in ihrem Betrieb auch Jugend- und Auszubildenenvertretung. Sie kümmert sich um die neuen und alten Auszubildenden, organisiert Treffen, in welchen allgemeine Dinge besprochen und geklärt werden können. Die Corona-Krise hat auch die Organisation dieser Treffen verändert, welche aktuell nur virtuell über Zoom-Meetings stattfinden können. Anne bedauert, dass diese Treffen zurzeit nicht wie gewohnt stattfinden können: „Natürlich kann man das auch über Zoom-Meetings machen, aber es ist natürlich etwas anderes, wenn man sich persönlich sieht und vielleicht kommt ein Azubi auf diesem Weg nicht auf einen zu, wenn er Probleme hat.“

An Tagen, an denen Anne im Homeoffice ist, nutzt sie die gewonnenene Zeit für Spaziergänge in der Natur. Auch während der Prüfungsvorbereitung hat sie die Auszeit in der Natur genossen (Foto: Lisanne Schenker)

Obwohl sich durch die Corona-Krise einiges im Verlauf und im Alltag ihrer Ausbildung geändert hat, hat sich Anne inzwischen mit der aktuellen Situation arrangiert. Sie ist froh, dass sie derzeit überhaupt wieder im Labor stehen und arbeiten kann. Ihr Betrieb hat nun beschlossen, dass das Labor in einigen Wochen wieder voll besetzt werden soll, so wie es eben vor Covid-19 der Fall war. Auf diese Woche, wenn sie wieder vier Tage im Labor stehen kann, freut sich Anne schon besonders. Man merkt: Es ist ihre Berufung, welche die junge Frau mit Lebensfreude und Leidenschaft gerne ausübt.

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