Eine ungewöhnliche Atmosphäre zeichnete das Zentrale Hörsaalgebäude (ZHG) der Universität Göttingen in der heißen Phase des universitären Wahlkampfes kurz nach dem Jahreswechsel. Hinter einigen mit bunten Fahnen und reißerischen Wahlplakaten verzierten Tischen saßen dutzende Studierende, die nur darauf warteten, ihren vorbei schlendernden Kommilitonen durch Infomaterial wie Flyer und Aufklebern sowie kleinen Geschenken wie frischen Waffeln von einer Stimme für ihre Hochschulgruppe zu überzeugen.
Nun zeigt sich das ZHG wieder von seiner gewohnten Seite: Keine Wahlkampfstände, keine Musik und vor allem kein Geruch frisch gebackener Waffeln weit und breit mehr. Rund um den Eingangsbereich und dem Café Campus tummeln sich wie gewohnt einige Studierende, die sich eine kleine Auszeit in der stressigen Klausurenphase nehmen wollen. Der restliche Teil des weitläufigen Gebäudes füllt sich nur so richtig, sobald die Vorlesungen zur voller Stunde enden und beginnen.
Klar ist: Der Hochschulwahlkampf ist nun vorüber, das Votum ausgezählt und das Wahlergebnis einsehbar. Studierende hatten vom 13. bis zum 21. Januar die Möglichkeit gehabt, um ihre Stimme abzugeben. Gewählt wurde – wie in jedem Jahr – ein neues Studierendenparlament (StuPa), das den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) konstituiert. Außerdem standen die Urabstimmungen an, bei denen die Wahlberechtigten über die Fortführung eines für alle Studierenden verpflichteten Deutschland- und Kultur-Semestertickets entscheiden konnten.
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Quelle: Göttinger Tageblatt
Nach StuPa-Verkleinerung: GHG verliert deutlich – und bleibt stärkste Kraft
Das StuPa umfasste bis zur vergangenen Legislaturperiode noch 55 Sitze. Nach den diesjährigen Wahlen sind nach einer Verkleinerung allerdings nur noch 43 Sitze zu vergeben. Mit zwölf dieser 43 Sitze wurde die Mehrheit der Grünen Hochschulgruppe (GHG) von den Wählenden bestätigt. Allerdings muss die Hochschulgruppe einen herben Verlust hinnehmen: Im Vergleich zur vergangenen Wahl haben die Grünen insgesamt neun Sitze verloren.
Die mit sechs Sitzen zweitstärkste Kraft im StuPa sind die neuangetretenen Unabhängigen Studierenden (US). Sie sind als Nachfolger der Gemeinschaft Demokratischer Studierender (GDF), die sich aus strukturellen Gründen aufgelöst hatten, ins Rennen gegangen. „Im Rahmen der Umstände bewerte ich das Ergebnis ziemlich gut“, meint US-Sprecher Matti Münch. Sein Parteigänger Julius Gottschalk sagt: „An sich haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Wir sind zufrieden damit.“ Schließlich müsse man bedenken, dass man die Wahl als zweitbeste Gruppe abgeschlossen habe. Das StuPa sei nun mit vielen Gruppen besetzt, die viele unterschiedliche Interessen verfolgen, erzählt Münch. Das könne interessant werden, berge jedoch auch Konfliktpotenzial.
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„An sich haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Wir sind zufrieden damit.“
– Julius Gottschalk, Unabhängige Studierende
Die Alternative Linke Liste (ALL) ist in diesem Jahr erstmalig bei den Hochschulwahlen angetreten und konnte direkt ein bedeutendes Ergebnis einfahren. Die Mitglieder der ALL können sich bei ihrem Einzug ins StuPa über fünf Sitze freuen. Damit ist die Gruppe die drittstärkste Kraft.
Volt gewinnt deutlich dazu – RCDS und Nerdcampus ohne Verluste
Der Volt-Hochschulgruppe werden nun vier Sitze im StuPa zugeschrieben. Damit konnte sie ihr Ergebnis aus der vergangenen Wahl deutlich steigern. Damals war Volt gemeinsam mit der Satire-Hochschulgruppe Die Liste angetreten und hatte lediglich einen Sitz ergattert. Das diesjährige Wahlergebnis bezeichnet Volt-Sprecher Lukas Reparon als „historisch“: „Wir sehen das als klare Bestätigung des Kurses und der Arbeit, die wir geleistet haben“. Das Ergebnis sei ein „Bekenntnis, dass eine klare Stimmung für Internationalisierung im StuPa erwünscht ist“, und ermögliche es Volt, ihre Forderungen nun „mit einer lauteren Stimme zu vertreten.“
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„Wir sehen das als klare Bestätigung des Kurses und der Arbeit, die wir geleistet haben.“
– Lukas Reparon, Volt
Ebenfalls vier Sitze erhält der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS). Damit haben die Wahlberechtigten das Vorjahresergebnis der Christdemokraten bestätigt. Damals war der RCDS ebenfalls auf vier Sitze gekommen.
Die Hochschulgruppe Nerdcampus, die sich vor allem für Belange, die den Nordcampus betreffen, einsetzt, kann drei Abgeordnete ins StuPa entsenden. Im vorherigen Jahr war die Hochschulgruppe ebenfalls auf drei Sitze gekommen – gewinnt und verliert also keine Sitze.
IJV erstmals im StuPa vertreten – Jusos verlieren einen Sitz
Eine weitere Gruppe, die in diesem Jahr erstmalig bei den Hochschulwahlen antrat, ist der Internationale Jugendverein. Der möchte sich besonders für bessere Lebens- und Studienbedingungen einsetzen. Den Sprung ins Parlament schaffte die Gruppe mit zwei Sitzen.
Ebenfalls zwei Sitze im StuPa erhält Mir Egal. Die Satire-Hochschulgruppe konnte ihr Wahlergebnis aus dem Vorjahr sogar um einen Sitz erhöhen. Damals waren sie lediglich mit einem Sitz vertreten. Auf Anfrage ordnet die Gruppe ihr Abschneiden bei der Wahl positiv ein: „Da sich unser Ergebnis in einem vor der Wahl festgesteckten Zielbereich von zwei bis drei Sitzen befindet, sind wir zufrieden.“ Einen grundlegenden Wechsel in der Hochschulpolitik erwarte man jedoch nicht, da sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht ausschlaggebend geändert hätten. Einer Wahlkampfforderung, der die Gruppe weiterhin Nachdruck verleihen wolle, sei die Einführung eines Döner-Angebotes in der Zentralmensa. „Dies halten wir durchaus für umsetzbar, weshalb wir uns bemühen werden, dies durchsetzen zu können“, heißt es weiter.
Auch die Juso-Hochschulgruppe erhält zwei Sitze im StuPa. Damit verlieren die Jungsozialisten im Vergleich zum vorherigen Wahlergebnis an Einfluss. Im letzten Jahr hatte die Hochschulgruppe noch drei Abgeordnete gestellt. „Wir hätten uns insgesamt ein besseres Ergebnis erhofft“, teilen die Jusos auf Anfrage mit. Da man allerdings weniger personelle Kapazitäten zur Verfügung hatte und deutlich mehr linke Gruppen als in der vergangenen Jahren zu der Wahl angetreten seien, sei das Ergebnis „nicht verwunderlich“, fügen die Jusos hinzu. Dass es trotz des Sitzverlustes weiterhin eine linke Mehrheit im StuPa gebe, mache die Gruppe „sehr froh“.
Die Liste sieht Regierungsauftrag bei sich – LHG „behauptet“ sich
Neu im StuPa vertreten ist die Linke Einheitsbewegung (LEB). Die Hochschulgruppe, die „neuen linksradikalen Wind“ in die Göttinger Hochschulpolitik bringen möchte, erhält einen Sitz in der Studierendenvertretung.
Mit Die Liste ist eine weitere Satire-Hochschulegruppe ins StuPa eingezogen. Die Gruppe erhält wie schon im vorherigen Jahr einen Sitz – und geht mit dem Ergebnis dennoch selbstbewusst um. „Das Abschneiden unserer Gruppe ist als klarer Regierungsauftrag zu sehen. 100 Prozent unserer Wähler*innen wollen uns im AStA-Vorstand“, erklärt die Gruppe auf Anfrage. In der kommenden Legislatur möchte sich die Gruppe für die Umbenennung der Georg-August-Universität in die Dieter-Bohlen-Universität sowie ein Bällebad auf dem Platz der Göttinger Sieben engagieren. Da man lediglich einen Sitz im StuPa erhalten habe, werde Modern Talking allerdings wohl keinen Auftritt in Göttingen machen, ergänzt Die Liste.
„Das Abschneiden unserer Gruppe ist als klarer Regierungsauftrag zu sehen. 100 Prozent unserer Wähler*innen wollen uns im AStA-Vorstand.“
Die Liste
Die Liberale Hochschulgruppe (LHG) kann einen Abgeordneten ins StuPa senden. Im vorherigen Jahr war die Hochschulgruppe dort noch mit zwei Sitzen vertreten. Trotz des Sitzverlustes, den die Liberalen der Parlamentsverkleinerung zuschreiben, ist die Gruppe nicht unzufrieden. „Wir konnten uns dennoch mit einem Sitz behaupten“, erklärt die LHG auf ihrem Instagram-Kanal.
SRK fliegt aus StuPa – Wahlbeteiligung leicht gesunken
Aus dem StuPa verabschieden muss sich die Hochschulgruppe Schwarz Rot Kollaps (SRK). Sie hatte ihren Sitz, den die Gruppe in der vorherigen Wahl hatte zugewiesen bekommen, nicht behaupten können. Damit ist die Gruppe in der kommenden Legislaturperiode der Göttinger Hochschulpolitik nicht mehr vertreten.
Die Wahlbeteiligung bei der Wahl des StuPa ist chronisch gering ausgefallen. Bei 27.186 Wahlberechtigten haben gerade einmal 8.812 Studierende von ihrer Stimme gebrauch gemacht, was eine Beteiligung von 32,41 Prozent ergibt. Im Verhältnis zur vorherigen Hochschulwahl ist die diesjährige Stimmbeteiligung sogar noch leicht zurückgegangen. Damals hatten noch 37,95 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Urabstimmungen: Studierende bestätigen Deutschland- und Kulturticket
Neben der Wahl über die Zusammensetzung des StuPa haben die Göttinger Studierenden ebenfalls die Urabstimmungen über Deutschland-, Bus-Semester- sowie Kultur-Semesterticket beantwortet. Alle Angebote haben die notwendigen Mehrheiten deutlich erreicht. Damit werden das deutschlandweite Nahverkehrsticket sowie das Kultur-Semesterticket, welches Vergünstigungen in Göttinger Kultureinrichtungen ermöglicht, auch im kommenden Wintersemester 2025/26 und im Sommersemester 2026 fortgeführt. Die Abstimmung über das Bus-Semesterticket ist ebenfalls zugunsten des Angebots ausgefallen. Es wäre allerdings nur dann eingeführt worden, hätten die Studierenden das Deutschlandticket abgelehnt. Die Abstimmung ist nun also obsolet.
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Quelle: Göttinger Tageblatt
Bei den Urabstimmungen stimmten 8673 Studierende für eine Verlängerung Deutschlandtickets. Das bedeutet bei 1621 Nein-Stimmen eine Zustimmung von 84 Prozent. Für eine Fortführung des Kultur-Semestertickets votierten 8.072 Studierende, dagegen sprachen sich 1.037 Menschen aus. Damit wurde das Angebot mit 89 Prozent angenommen. Für die hinfällige Fortführung des Bus-Semestertickets stimmten 7.121 Studierende. Bei 2.464 Gegenstimmen ergibt das eine Zustimmung von immerhin 74 Prozent.