Ein kalter Wind fegte durch die Straßen Göttingens, als sich am Samstag, dem 1. Februar 2025, die ersten Demonstrierenden in der Innenstadt versammelten. Der graue Himmel spiegelte die angespannte Stimmung wider, die sich wie ein unsichtbarer Schleier über die Stadt gelegt hatte. Es war der Tag, an dem die sogenannten „Querdenker“ zum vierten Mal in Folge ihre Präsenz in der niedersächsischen Universitätsstadt zeigen wollten. Doch was sich zunächst als Großdemonstration ankündigte, entpuppte sich als verhältnismäßig kleine Veranstaltung, die von einer Welle des Gegenprotests überrollt wurde. Gegen Mittag strömten Menschen aus allen Richtungen in die Innenstadt. Viele trugen bunte Plakate und Transparente, auf denen Slogans wie „Göttingen bleibt stabil“ zu lesen waren. Es waren die Anhänger des Göttinger Bündnisses gegen Rechts, die sich zu einer Gegendemonstration formiert hatten. Die Luft vibrierte förmlich vor Entschlossenheit, als sich Tausende von Bürgern versammelten, um ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und Verschwörungserzählungen zu setzen.

Der Aufruf zur Gegendemonstration. Foto: Lars Lendzewski

Die „Querdenker“-Demonstration

Während die Gegendemonstranten in großer Zahl erschienen, fiel die eigentliche „Querdenker“-Kundgebung deutlich kleiner aus als erwartet. Von den angemeldeten 2.000 Teilnehmern fanden sich lediglich etwa 100 Menschen ein. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Einsatzkräften vor Ort war, hatte mit einer ähnlichen Teilnehmerzahl wie in den Vorjahren gerechnet – etwa 500 Personen. Doch diese Erwartung wurde weit unterschritten. Die „Querdenker“ hatten unter dem Motto „Neuwahlen, die Chance zur Veränderung?“ mobilisiert. Ihr erklärtes Ziel war es, einen nach eigener Aussage demokratischen Dialog zu führen. Doch die geringe Resonanz auf ihren Aufruf sprach eine andere Sprache. Unter den Organisatoren befand sich erneut Marcus Fuchs von den als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen – eine Tatsache, die von Kritikern als Beleg für die problematische Ausrichtung der Bewegung angeführt wurde.

Der Gegenprotest

Im starken Kontrast zur „Querdenker“-Versammlung stand der massive Gegenprotest. Das Göttinger Bündnis gegen Rechts hatte vier separate Demonstrationen in der Innenstadt angemeldet. Die Zusammensetzung der Gegendemonstranten war vielfältig. Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Kultureinrichtungen und verschiedene politische Gruppierungen hatten sich dem Bündnis angeschlossen. Unter ihnen waren Vertreter der SPD, der Grünen, der Linken und der Partei Die PARTEI. Diese breite Allianz zeigte eindrucksvoll, wie tief die Ablehnung gegen rechtsextreme und verschwörungsideologische Tendenzen in der Göttinger Gesellschaft verankert ist. Unter den Gegendemonstranten waren auch viele Studierende wie der BWL-Student Torben Meyer

Eines der vielen selbstgestalteten Schilder der Gegendemonstranten. Foto: Lars Lendzewski

Der Spendenlauf

Eine besonders kreative Form des Protests war der von einer Gruppe Göttinger Bürger organisierte Spendenlauf. Die Idee dahinter war ebenso einfach wie wirkungsvoll: Für jeden Meter, den die „Querdenker“ auf ihrer geplanten Route zurücklegten, sollten Spenden für zivilgesellschaftliche Projekte gesammelt werden. „Für alle 400 Meter, die die Rechten am 01.02.2025 in Göttingen auf ihrer geplanten Route laufen sollten, sammeln wir Spenden für das Netzwerk Polylux zur Stärkung der Zivilgesellschaft im Osten“, erklärte Gregor Dreizehnter, einer der Organisatoren des Sponsorenlaufs gegenüber dem NDR. Diese Initiative, inspiriert von ähnlichen Aktionen gegen Neonazi-Aufmärsche in Wunsiedel, verwandelte den Protest in eine konstruktive Aktion zur Unterstützung demokratischer Strukturen.

Die Rolle der Polizei

Die Göttinger Polizei war mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Einsatzkräften vor Ort. Beamte aus Niedersachsen und anderen Bundesländern sorgten für die Sicherheit der Demonstranten und versuchten, mögliche Konfrontationen zu verhindern. Der leitende Polizeidirektor zeigte sich zuversichtlich und betonte, dass man personell und technisch gut aufgestellt sei. Die Befürchtungen der Polizei, es könnte zu Blockaden oder anderen Störaktionen kommen, bewahrheiteten sich glücklicherweise nicht. Die Proteste verliefen weitgehend friedlich, was sowohl für die Demonstranten als auch für die Einsatzkräfte eine Erleichterung darstellte.

Hintergründe und Kritik

Das Göttinger Bündnis gegen Rechts charakterisierte die „Querdenker“ als eine „gefährliche Mischung“ aus Wissenschaftsfeinden, Demokratiegegnern, „Reichsbürgern“, Esoterikern und extrem Rechten. Diese Einschätzung wurde durch die Beteiligung von Marcus Fuchs, einem Vertreter der als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen, an der Organisation der „Querdenker“-Demo untermauert. Interessanterweise richtete sich die Kritik des Bündnisses nicht nur gegen die „Querdenker“, sondern auch gegen aktuelle politische Entwicklungen. Agnieszka Zimowska, Vorsitzende des DGB Südniedersachsen-Harz, betonte auf Nachfrage des NDR: „Wir haben immer gesagt, wir gehen an diesem Tag nicht nur gegen Querdenken-Akteure von extrem bis diffus auf die Straße“. Sie verwies dabei auf die jüngste gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD im Bundestag in der Migrationsdebatte, die von vielen Demonstranten als besorgniserregend empfunden wurde.

Die Bedeutung für Göttingen

Die Ereignisse des 1. Februar 2025 in Göttingen waren mehr als nur eine weitere Demonstration. Sie zeigten exemplarisch den Zustand einer Gesellschaft, die sich aktiv gegen antidemokratische Tendenzen zur Wehr setzt. Die überwältigende Beteiligung am Gegenprotest und die kreative Umsetzung des Spendenlaufs unterstrichen das starke zivilgesellschaftliche Engagement in der Stadt.Besonders bemerkenswert war die Mobilisierung weit über die Stadtgrenzen hinaus. Das Göttinger Bündnis gegen Rechts hatte diesmal auch in Braunschweig und Hannover für die Gegendemonstration geworben, was zu der hohen Teilnehmerzahl beigetragen haben dürfte. Dies zeigte, dass der Protest gegen rechtsextreme und verschwörungsideologische Strömungen ein Thema ist, das Menschen in ganz Niedersachsen bewegt.

Der 1. Februar 2025 wird in die Geschichte Göttingens eingehen als ein Tag, an dem die Zivilgesellschaft eindrucksvoll ihre Stärke demonstrierte. Die geringe Teilnehmerzahl bei der „Querdenker“-Demonstration im Vergleich zu den Tausenden von Gegendemonstranten kann als deutliches Signal interpretiert werden: Göttingen steht fest zu demokratischen Werten und gegen die Verbreitung von Verschwörungstheorien und rechtsextremen Ideologien.Die kreative Umsetzung des Protests, insbesondere durch den Spendenlauf, zeigte zudem, dass Widerstand gegen antidemokratische Tendenzen nicht nur laut und sichtbar, sondern auch konstruktiv und fördernd sein kann. Die gesammelten Spenden werden einen konkreten Beitrag zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen leisten. Gleichzeitig machte der Tag deutlich, dass politische Wachsamkeit nicht nur gegenüber offensichtlich extremen Gruppierungen geboten ist. Die Kritik an der Zusammenarbeit etablierter Parteien mit der AfD im Bundestag zeigt, dass viele Bürger auch subtilere Verschiebungen im politischen Spektrum mit Sorge beobachten. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob die „Querdenker“-Bewegung in Göttingen weiter an Bedeutung verlieren wird oder ob sie neue Wege finden wird, um Anhänger zu mobilisieren. Fest steht jedoch, dass sie in Göttingen auf eine wachsame und engagierte Zivilgesellschaft treffen wird, die bereit ist, für demokratische Werte einzustehen.Die Ereignisse des 1. Februar 2025 in Göttingen können als Ermutigung für andere Städte und Gemeinden dienen. Sie zeigen, dass es möglich ist, mit Kreativität, Engagement und einem breiten Bündnis erfolgreich gegen antidemokratische Strömungen vorzugehen. In einer Zeit, in der politische Polarisierung und die Verbreitung von Falschinformationen zunehmen, ist dies eine wichtige Botschaft der Hoffnung und des aktiven Widerstands.

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