Das „Theater im OP“ ist ein fester Bestandteil des studentischen Kulturlebens in Göttingen. Unzählige Studierende aus den verschiedensten Studiengängen verirren sich im Laufe ihres Studiums auf und hinter die Bühne, viele mehr sitzen zumindest einmal in den Publikumsrängen des außergewöhnlichen Theaterhauses. Bereits der Name deutet an, dass es sich hierbei um ein ganz besonderes Theater handelt, denn dieser kommt nicht von ungefähr: Vor vielen Jahren befand sich hier tatsächlich ein Operationssaal. Auf der Bühne werden somit damals wie heute skurrilste Operationen durchgeführt – doch sind diese heute meist unterhaltsamer und weniger riskant.
Es steht natürlich jedem und jeder frei, sich selbst eine Produktion des ThOP anzusehen, doch der Blick hinter den wortwörtlichen Vorhang bleibt den meisten verwehrt. Wo sind die Darstellenden vor ihrem Auftritt? Wie sieht es im Backstagebereich aus? Und was passiert eigentlich in der Notaufnahme? In dieser Reportage folgen wir Phil bei den Vorbereitungen für seinen Auftritt. Dabei gewährt er uns Einblicke in seine Gedanken und hinter die Kulissen des „Theaters im OP“.
Bild 1: Eingang zum Operationssaal
Es ist der vorletzte Aufführungstag. Pünktlich um 18 Uhr ist Phil vor dem Gebäude des SDP (Seminar für Deutsche Philologie), in dessen Räumlichkeiten sich das ThOP versteckt. Das Schild auf der ersten Etage führt uns zum Eingang des Theaters. Gewissermaßen ist hier alles gleichgeblieben: war dieser Eingang zum Operationssaal einst nur für behandelnde Ärzte, so ist er auch heute ausschließlich für die darstellenden Künstler*innen. So oder so ist dies der Eingang für die Hauptpersonen der nahenden Vorstellung!
Bild 2: Aufenthaltsraum
Angekommen im Aufenthaltsraum treffen wir auf die ersten Menschen. Sie sitzen hier und unterhalten sich, einige gehen ihre Texte noch einmal durch. Nebenan ist außerdem eine kleine Küche, in der sich die Darstellenden und die Crew etwas zu Essen machen können, um sich für den anstrengenden Abend zu stärken. Hier wird Phil sich auch während des Stückes aufhalten, wenn er nicht auf der Bühne steht. „Dann höre ich etwas Musik oder schaue eine Serie, bis ich wieder dran bin“, erklärt er, als sei er gar nicht nervös, und schließlich: „Naja, wenn du gerade eine intensive Szene gespielt hast, dann gehst du von der Bühne runter und bist noch angefasst. Wenn du auf der Bühne richtig wütend warst, dann bist du halt wütend und die Leute müssen dir mal ‘nen Moment aus dem Weg gehen!“
Bild 3: Maske
Nach und nach begeben sich die Darstellenden nun in die Maske. Auch hier ist die Stimmung noch recht entspannt, es wird gequatscht, gelacht und geschminkt. Die Maskenbildner*innen sind wie die Leute von der Technik und vom Bühnenbild meist Studierende oder freiwillige Theaterfreund*innen die mit dem ThOP etwas verbinden. Einigen Darstellenden ist mittlerweile eine nervöse Vorfreude anzumerken, denn endlich geht es auf die Bühne!
Bild 4: Bühne
Nein, begonnen hat das Stück noch nicht. Das Ensemble versammelt sich auf der Bühne. Mit kleinen Spielen wärmen sie nun Körper und Stimme auf und schwören sich schließlich mit einem Ritual auf die bevorstehende Aufführung ein. Alle Beteiligten kommen auf der Bühne zusammen und bilden einen Kreis, während sie ihre Hände in der Mitte zusammenlegen. Gemeinsam rufen sie eine Zeile aus ihrem Stück und werfen ihre Hände in die Luft. Anschießend applaudieren sie einander zu, bevor sie die Bühne wieder verlassen. Bis zum Beginn der Vorstellung wird sie nun nicht mehr betreten.
Bild 5: Licht und Ton
Während sich die eben noch leeren Ränge des Theaters langsam füllen, muss nun auch die Ton- und Lichtkabine besetzt werden. Von hier aus wird alles gesteuert, was um die Darstellenden herum geschieht. Durch einen einzigen Knopfdruck wird die Hauptdarstellerin in einen Lichtkegel gehüllt. Der Hebel rechts daneben lässt das Musikthemas des Stücks ertönen. Es ist alles genaustens aufeinander abgestimmt. Der Verantwortliche hier oben ist ebenso wichtig wie die Darstellenden auf der Bühne. Verpatzt du hier deinen Einsatz, stehen die Leute auf der Bühne wortwörtlich im Dunkeln. Das erste Klingeln ertönt – nicht mehr lange, dann ist es so weit!
Bild 6: Vor dem Auftritt
Ein zweites Klingeln: seit einiger Zeit befinden sich die Darstellenden nun im Backstagebereich unter den Rängen und für das wachsende Publikum nicht zu sehen. Phil macht sich nun bereit für die erste Szene, denn mit dem dritten Klingeln wird er die Bühne betreten. Das Licht und gleichsam alle Blicke werden auf ihn gerichtet sein. Macht ihn das nicht nervös? “Normalerweise bin ich nicht so nervös tatsächlich. Ich gehe einfach raus und spreche dann meinen Text. Ich bin dann im character, da hat Phil dann weniger zu melden. Man ist eher hyped!“ Und dann ertönt das dritte Klingeln und draußen wird es ruhig. Ein letztes Mal lächelt Phil vorfreudig, bevor er, getaucht in Scheinwerferlicht, die Bühne betritt.