Vorhang auf und Film ab!

Reportage_Irina_Agranovski_Kurzfilmfestival_Göttinger Golden Shorts

In der Festivallounge im Schillereck herrscht sechs Stunden vor der feierlichen Eröffnung des Kurzfilmfestivals reges Treiben. Neben der Bar wird das Catering für die Gäste aufgebaut. Der leckere Käsekuchen steht schon auf dem Tisch, belegte Brötchen und frisches Obst kommen dazu. Der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee strömt durch den Raum, der an ein großes gemütliches Wohnzimmer erinnert. Weiche Sofas und Sessel stehen zu Gruppen zusammengestellt um kleine Beistelltische herum und dazwischen huschen die freiwilligen Helfer hin und her. Eileen ist eine von ihnen. Sie sitzt auf einem der Sofas und neben ihr steht ein Karton mit den Eintrittskarten. Sorgfältig zählt sie diese ab, denn die Eröffnungsveranstaltung im Programmkino Lumière mit der anschließenden Filmvorführung ist fast komplett ausverkauft. Jetzt gilt es herauszufinden, wie viele Karten noch übrig sind, denn die Nachfrage für den Abend ist groß. Das Telefon im Festivalbüro, das sich gleich neben der Lounge befindet, klingelt ununterbrochen. Adrian Götz, der Leiter des Festivalbüros, hat es ständig am Ohr, während er zwischen dem Büro und der Lounge hin und her eilt und hilft, wo er kann. Er erzählt nebenbei, dass das Festivalbüro während der heißen Phase der Vorbereitungen „eine Art Zentrale für alle Projektgruppen der Festivalorganisation war.“ Und auch an diesen drei Tagen dient es als Anlaufstelle für die Künstler, Besucher und alle Mitarbeiter. Deshalb bleibt Adrian Götz, der sich selbst lachend als den guten Hausgeist bezeichnet, auch die ganze Zeit über hier und hält die Stellung. Er ist seit Mai 2015 Mitglied in dem Verein Göttinger FilmnetzWerk, der das Göttinger Kurzfilmfestival „Mach mal halblang!“ schon zum zweiten Mal organisiert. Zum ersten Mal fand es im Herbst 2014 statt und war etwas kleiner, denn damals war nur das Lumière Vorführort. Dieses Jahr werden die Filme hingegen an drei Orten gezeigt: im Lumière, im Studio des Deutschen Theaters und im Zentralen Hörsaalgebäude der Universität (ZHG). Neben den Kurzfilmen bietet das Festival auch ein spannendes Rahmenprogramm. Es gibt zwei Workshops zu den Themen „Drehbuch“ und „Regie und Produktion“, einen Vortrag von Henning Kunze zum Thema „Filmförderung“ und das Podiumsgespräch „Wege zum Film“ mit der Schauspielerin Beatrice Richter, bei dem sie spannende Einblicke in ihren Werdegang und ihren Beruf gibt.

Das Kurzfilmfestival ist aber nur eines der Schwerpunkte des Vereins, der am 18. Januar 2013 gegründet wurde. Bastian Brunke war von Anfang an dabei und ist der zweite Vorsitzende. Er erklärt, dass „das Göttinger FilmnetzWerk ein Verbund von freien Filmschaffenden, Video- und Tonprofis, professionellen Schauspielern und filmbegeisterten Menschen ist, die das kreative Potential der Filmszene in der Region Südniedersachsen fördern.“ Neben der Durchführung des Göttinger Kurzfilmfestivals seien zudem der Austausch zwischen Filmemachern, die Vermittlung von filmtechnischem Wissen und die Entwicklung von narrativen Filmstoffen und deren Umsetzung in Filmprojekte weitere Schwerpunkte des Vereins. Heute zählt der Verein 48 Mitglieder und freut sich über weitere Unterstützung.

Göttinger FilmPreis für lokale Filme

Während in der Festivallounge weiter die Vorbereitungen für die Aftershow Party am Abend laufen, werden im Lumière schon der rote Teppich ausgerollt und der Zuschauerraum sowie die Bühne inspiziert. Bevor das Festival beginnt, gibt es nämlich noch einen weiteren spannenden Programmpunkt: Der Wettbewerb „Göttinger FilmPreis“. Jan Reinartz, der Kassenwart des Vereins, erläutert, dass dieser Wettbewerb vom Verein ausgerichtet wird, „um lokalen Filmemachern eine Plattform zu geben.“ Deshalb durften nur Kurzfilme aus Göttingen und Umgebung eingereicht werden. Aus ihnen schafften es acht Filme in die engere Auswahl und werden im Vorfeld des Kurzfilmfestivals dem Publikum präsentiert. Der Kinosaal füllt sich schnell und neben den Zuschauern nehmen auch einige der Filmemacher im Saal Platz. Sie alle warten gespannt darauf, wer von ihnen am Ende mit seinem Film den ersten Platz belegt. Fee Strothmann ist eine von ihnen. Sie hat den Film „Ont est Ensemble“ (übersetzt: „Wir sind eins“) für den Wettbewerb eingereicht. Der Film erzählt eindrucksvoll die Geschichte von zwei afrikanischen Flüchtlingen, die schon eine Weile in Deutschland leben, aber innerlich zwischen der alten und der neuen Heimat zerrissen sind. Ihr Film passt dabei perfekt zum Thema des Wettbewerbes „Heimat 2.0“. Jan Reinartz, der die Veranstaltung auf der Bühne moderiert, erklärt, welcher Gedanke dahinter steckt: Heimat ist nicht unbedingt der Ort, an dem man geboren wurde, sondern der Ort, an dem man sich aufgehoben fühlt. So wundert es nicht, dass viele der Kurzfilme sich mit dem Thema Flüchtlinge auseinandersetzen.

Dann geht das Licht aus und einer nach dem anderen werden die acht lokal produzierten Kurzfilme gezeigt. Am Ende tritt die Jury nach vorne und verkündet die Preisträger. Fee Strothmann hat in diesem Moment allen Grund zum Jubeln, denn sie gewinnt den ersten Preis aufgrund der bewegenden Geschichte, der Regie, der Dramaturgie und der bemerkenswerten Schauspielern. Den zweiten Preis erhält der Film „Iduna-Komplex“, der sich um die Bewohner und die Geschichte dieses Gebäudes dreht. Der dritte Preis geht an den Film „Ansichten“, der die Lebensverhältnisse von Flüchtlingen in Deutschland thematisiert und sie mit den idealen Wohnvorstellungen von zwei Deutschen vergleicht.

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Christian Ewald (1. Vorsitzender des Vereins) überreicht Fee Strothmann den ersten Platz des „Göttinger FilmPreis“   (Bild: Jan Vetter)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eröffnung des Festivals – Film ab!

Nachdem dieser Programmpunkt zu Ende ist, machen sich alle bereit für die Eröffnung des Göttinger Kurzfilmfestivals. Eileen kommt mit der Kasse und den Eintrittskarten aus dem Festivalbüro. Wer schon eine Karte im Vorfeld reserviert hat, gehört zu den Glücklichen und kann sie nun bei ihr abholen. Restkarten gibt es kaum noch und wer keine mehr für das Lumière bekommt, beeilt sich, um noch rechtzeitig ins Deutsche Theater oder ins ZHG zu kommen. Insgesamt werden 28 Kurzfilme, die jeweils maximal 15 Minuten dauern, in drei Filmblöcken (acht bis zehn Filme pro Block) dreimal an allen Aufführungsorten gezeigt. So erhalten die Festivalbesucher die Möglichkeit, gleich mehrere spannende Produktionen auf einmal zu sehen.

Der Andrang am ersten Abend ist enorm. Das Foyer ist proppenvoll und alle warten darauf, dass endlich die Türen aufgehen. Dann geht es endlich los und alle nehmen im Saal Platz. Nach der feierlichen Eröffnung durch den ersten Vorsitzenden des Vereins und Leiter des Festivals Christian Ewald werden zehn Kurzfilme gezeigt, die sowohl in ihrer Machart, als auch in der Thematik ganz unterschiedlich sind. Es gibt Filme, die unglaublich witzig sind und andere, die einen tief berühren. Einige erzählen von Freundschaft, andere von Verrat. Liebe, Leidenschaft, Verzweiflung und Hass werden thematisiert, sowie Sehnsucht, Unsicherheit und der Wunsch, das Richtige zu tun. In den nächsten zwei Stunden zeigt sich, was das Besondere am Medium Kurzfilm ist: Er berührt dadurch, indem er Sachen auf sehr geschickte und komprimierte Weise kürzt und dabei das Wesentliche auf den Punkt bringt.

After Show Party und „Shorts and Shots“

Spät am Abend, nachdem der letzte Film über die Leinwand gelaufen ist, geht es dann wieder zurück in die Festivallounge. Diese füllt sich zusehends mit Gästen, die auf den Sofas und Sesseln Platz nehmen. Vorher gehen sie aber zum Buffet, wo die Leckereien auf sie warten oder holen sich an der Bar etwas zu trinken. Adrian Götz kümmert sich um die Musik und gesellt sich dann zu den Gästen und den Regisseuren. Viele vom FilmNetzwerk sind gekommen und stoßen auf den erfolgreichen Start des Festivals an. Einige Besucher ziehen dann noch weiter, denn wer so spät am Abend noch weitere Filme sehen möchte, geht jetzt ins „Dots“, die „Diva Lounge“ oder die „JT-Kantine“. Dort werden nach dem offiziellen Festivalprogramm Filme, die es dieses Jahr zwar nicht ins Hauptprogramm des Festivals geschafft haben, aber trotzdem sehr sehenswert sind, gezeigt. Dieses besondere Rahmenprogramm nennt sich „Shorts and Shots“ und bietet den Filmmachern und Filmemacherinnen eine Plattform für ihre Werke und den Filmbegeisterten noch mehr Kurzfilme.

Das große Finale

Am Sonntag endet das dreitägige Kurzfilmfestival mit der Preisverleihung. Für das Festival wurden über 150 Kurzfilme aus dem deutschsprachigen Raum eingereicht und aus den 28 in Vorfeld ausgewählten und beim Festival gezeigten Filmen kürt die Jury nun die diesjährigen Preisträger. Zur Jury gehören unter anderem der Intendant des Deutschen Theaters Erich Sidler und die Schauspielerin Beatice Richter. Sie freut sich dabei sein zu können, denn für sie haben „Kurzfilme eine große Attraktivität“. Durch ihre langjährige berufliche Erfahrung konnte sie bei der Auswahl vor allem beurteilen, wer gut spielt, ob sie etwas packt und ob ein Spannungsbogen da ist. Deshalb war für sie von Anfang an ein wichtiges Kriterium, dass nach maximal ein- bis eineinhalb Minuten die Spannung einsetzt, denn ihr „Todfeind ist die Langweile.“

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Preisverleihung Kurzfilmfestival mit einem Gewinner der „Göttinger Golden Shorts“ Marvin Meiendresch (Bild: Jan Vetter)

Die Gewinner des Festivals sind alle absolut sehenswert. Den Preis „Göttinger Golden Shorts“ für den besten Film teilen sich diesmal sogar gleich zwei Filme: Der Animations-Kurzfilm „Alienation“ von Laura Lehmus, der mit großer Komik den Alltag von Teenagern in der Pubertät schildert, sowie der kafkaeske Kurzfilm „Die Behandlung“ von Marvin Meiendresch, der auf eine beklemmende Weise erzählt, wie ein junger Mann völlig isoliert in einer Klinik behandelt und dabei medizinischen Tests unterzogen wird. Den Preis für das beste Klangbild, mit dem die Gestaltung von Ton und Musik prämiert wird, bekommt der Film „Willa“ von Helena Hufnagel, der auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Stephen King basiert. Dann gibt es noch die Sonderpreise für originelle und außergewöhnliche Ideen, die an „Butter Brioche“ von Christopher Kaufmann, „Wert der Arbeit“ von Matthias Koßmehl und „Slapkick“ von Chon-Dat Nguyen gehen. Den Publikumspreis räumt schließlich Marco Gadge mit seinem Film „Er und Sie“ ab. Dieser Preis ist von allen der einzige, der nicht von der Jury, sondern allein von den Zuschauern durch ein persönliches Votum vergeben wird. Nach der Preisverleihung werden die Preisträgerfilme dann noch einmal gezeigt und im Anschluss wartet auf die Zuschauer noch eine Premiere: Sie sehen den Kurzfilm „Slap in the park“, der vom Göttinger FilmnetzWerk e.V. produziert und gemeinsam mit Schauspielern des Deutschen Theaters und des Jungen Theaters sowie mit Studierenden in Göttingen gedreht wurde.

Nach dieser letzten Filmvorführung leert sich der Zuschauerraum, der rote Teppich wird wieder eingerollt und ein spannendes und aufregendes Wochenende geht zu Ende. Was bleibt sind viele neue Eindrücke und die Lust auf noch mehr Kurzfilme in Göttingen!

Infos zum Verein: www.goettinger-filmnetzwerk.de

Infos zum Kurzfilmfestival: http://www.goettinger-kurzfilmfestival.de/

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