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„Ich habe mich schon immer für Kunst-und Musik interessiert, da war es für mich selbstverständlich, in meiner Stadt aktiv zu werden“, sagt Jessica Tomaszweski und zieht entspannt an ihrer Zigarette. Ich treffe Jessica in ihrer Wohnküche in der Kassler Nordstadt, wo wir bei einer Tasse Kaffee über die Kulturlandschaft in Kassel und ihre Mitarbeit in eben dieser sprechen.
Kassel – vor allem bekannt durch seine internationale Kunstausstellung „documenta“ und den Bergpark Wilhelmshöhe, strebt an, zur Kulturhauptstadt 2025 ernannt zu werden. Zwar hegt die größte Stadt in Nordhessen seine Museumskultur und ist immer bemüht, das Stadtbild zu verschönern, jedoch scheint für Sub- und Jugendkultur kein Platz zu sein. Autonome Jugendzentren werden von immer höher werdenden Mieten verdrängt. Diskotheken und alternative Räume sehen sich durch drastische Auflagen der Stadt gezwungen zu schließen. Es scheint als finde die Kassler Jugend bald keinen Platz mehr, um sich zu entfalten. Doch es gibt Menschen, die sich dafür einsetzen, Räume zu schaffen in denen Kultur auch für die Jugend weiterhin zugänglich bleibt.
Die 27- jährige Landschaftsarchitekturstudentin Jessica ist eine von ihnen. Sie ist in Kassel aufgewachsen und wirkt schon seit ihrer Schulzeit in der Kulturszene mit. Zuletzt war sie als Personalplanerin für den kürzlich geschlossenen Club „Unten“ tätig. Das „Unten“ veranstaltete Partys und Konzerte mit international bekannten Künstler und bot zudem lokalen Größen sowie Anfängern, die Möglichkeit, ihre Musik und Kunst einem breiten Publikum vorzustellen.

Kritisiert die Stellung von Subkultur in Kassel : Jessica Tomaszweski war lange im „Unten“ tätig.

Die Schließung des Clubs bedeutet nicht nur einen weiteren Rückschlag für die subkulturelle Szene Kassels, sondern auch für Jessica persönlich. „Wir haben alle so viel Herzblut in diesen Club gesteckt, jeder hat ein bisschen mitgeholfen ihn aufzubauen. Da ist es traurig zu sehen, dass es so schnell vorbei sein kann.“, führt sie an, als wir beginnen über den Club zu sprechen.Ihre Leidenschaft Kultur zu schaffen, hat sich langsam aufgebaut. Erste Erfahrungen sammelt sie in der Mittelstufe, als sie beim Christlichen Verein Junger Menschen (kurz: CVJM) arbeitet und am Wochenende die Jugenddisko, sowie (Rock)- und Chorkonzerte mitorganisiert. Schnell erkennt sie, dass es ihr nicht reicht, Konzerte oder kulturelle Veranstaltungen nur als Gast zu besuchen, „Ich habe einfach Bock mitzumachen und Menschen eine Plattform zu bieten, um ihr Potenzial auszule-ben“, sagt Jessica, während sie dabei ist, sich eine Zigarette zu drehen. Sie lässt sich auf den großen, waldgrünen Sessel zurückfallen auf dem sie vorher lèger Platz genommen hat. Das Interesse an Musik und Kunst zieht sich wie ein roter Faden durch ihr bisheriges Leben. Nach ihrer Tätigkeit im CVJM folgt die Teilnahme an Musik und Theater Arbeitsgemeinschaften, Mitgliedschaft im Schulchor und einer Band. Nach dem Abitur folgt für Jessica ein einjähriger Aufenthalt in Südamerika. Es verschlägt sie nach Perú, wo sie „wie viele Andere auch, meinen Horizont erweitern wollte und andere Kulturen kennen lernen“, sagt sie lachend. Nach ihrer Rückkehr nach Kassel folgen erste Kontakte mit Menschen die sich außerhalb der massenkompatiblen Kultur-und Partyszene bewegen. Im Studium findet sie Menschen, die anfingen aufzulegen und handgemachte, elektronische Musik produzieren. Außerdem findet sie dort den Kontakt zum „Unten“, da einige ihrer Kommilitonen dort arbeiten. Der Club weckt ihr Interesse. Schon als Gast schätzt sie das Publikum und den Aufbau des Programms. „Für mich und auch für viele andere junge Menschen in Kassel, war das Unten eine absolute Bereicherung im Nachtleben. Die Konzerte und Partys waren immer entspannt und haben Spaß gemacht, so etwas fehlt hier im Moment“, erklärt sie schwermütig. Durch das „Unten“ ist Jessicas Begeisterung für Kassels Subkultur immer weiter gestiegen und hat den Willen in ihr gestärkt, sich auch weiterhin für ebendiese einzusetzen. „Es ist vor allem schön zu sehen, wie Menschen in diesem Umfeld zusammenwachsen. Ich habe Leute kennen und schätzen gelernt, mit denen ich sonst wahrscheinlich keinerlei Schnittpunkte gehabt hätte und das möchte ich auch anderen bieten können.“, erläutert sie auf die Frage nach ihrer Motivation.
Als Jessica anfängt im Club „Unten“ zu arbeiten, entwickelt sie schnell freundschaftliche Beziehungen zu Team und Leiter, Andreas. Bis zur Schließung des Clubs ist sie fast jedes Wochenende auf den Partys und kulturellen Veranstaltungen tätig. Eine dieser Veranstaltungen ist das „Oben“ Festival, welches im Frühjahr 2016 zum ersten Mal stattgefunden hat und wieder eine Plattform für lokale, sowie national bekannte Acts bot. Während des Festivals ist Jessica für die Künstlerkoordination zuständig. Mit Andreas Störmer hat sie jemanden gefunden, der genauso viel Lust hat, junger Kunst in Kassel eine Plattform zu bieten und gegen die ständige Verdrängung dieser anzukämpfen.

Seit Sommer 2016 steht der ehemalige Club leer.

Jessica wirkt traurig, als sie über die Schließung des Clubs spricht: „Es ist nicht das erste Mal, dass ein Club dieser Art in Kassel geschlossen wird. Der letzte Club von Andreas (die Batterie) wurde geschlossen, weil das Gebäude abgerissen wurde, um noch ein Bürogebäude zu bauen und das Unten hat die Bahn geschlossen, weil es ihnen angeblich zu dreckig wurde, aber daran glaube ich nicht. Subkultur ist denen nur ein Dorn im Auge“, kritisiert sie weiter. Sie deutet da-mit auf das Schicksal des Clubs hin, welcher sich in einem Gebäude der deutschen Bahn, direkt am Gleis des Hauptbahnhofs, befand. Der Mietvertrag wurde seitens der Bahn fristlos gekündigt, aufgrund von wiederholten Verschmutzungen und Unruhen innerhalb des Bahnhofs, welche die Bahn auf das Publikum des „Unten“ zurückführte. Sämtliche Verhandlungen, Lösungsvorschläge und Proteste der Kassler Bevölkerung blieben erfolglos. Im Juni 2016 öffnete der Club zum letzten Mal seine Türen.

Das Team des „Unten“ gibt jedoch nicht auf. Für das Jahr 2017 ist viel geplant. Die Suche nach einer neuen Location für den Club ist in vollem Gange, es soll „noch mehr Spielraum geben, mehr Aktion und die Bandbreite an Genres soll erhöht werden“, erläutert Jessica, deren Gesicht zuneh-mend aufhellt, als sie über die Zukunft spricht. Durch die Schließung hat die Subkulturelle Land-schaft in Kassel zwar etwas abgenommen, „Es gibt noch Ausweichmöglichkeiten, wie zum Beispiel das K-19 oder den Schlachthof, aber nichts wo man sich in dem Rahmen einbringen könnte, wie es im Unten der Fall war“, berichtet Jessica, während sie sich ihren dunkelblonden Pferdeschwanz richtet, das ändert sich jedoch bald wieder.

 

Viel geplant: Jessica freut sich auf zukünftige Pläne

 

Der neue Club soll nach den gleichen Prinzipien funktionieren, wie es schon vorher der Fall war. Jeder soll sich einbringen können und eine Chance bekommen. Schon im „alten Unten“ hat der Leiter Andreas alles selbst entworfen und renoviert, mit Hilfe seiner Mitarbeiter und freiwilligen Helfern. So soll es im neuen Club auch funktionieren. „Integratives Arbeiten wird bei uns groß geschrieben“, sagt Jessica  abschließend und drückt dabei eine weitere Zigarette im Aschenbecher aus.

 

 

 

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