Ping! Bereits vom Gang aus schallt der fröhliche kleine Ton aus der angelehnten Tür des Labors. Im ersten Stock des 3. Physikalischen Instituts der Universität Göttingen hat Roberto seine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen. Vor ihm auf dem Tisch stehen aufgereiht drei Plastikblöcke in verschiedenen Farben. Aus einem Lautsprecher an der Seite ertönt bereits die nächste Anweisung: “Grün!”. Gegenüber am Tisch sitzt eine Mitarbeiterin des Projektes, die nun mit der Hand auf den grünen Block zeigt. Roberto braucht einen kurzen Moment, bevor auch er den Block anpeilt. Ping! Ein erneuter Erfolg für Roberto!
Erstmal scheint an dieser Aufgabe nichts wirklich besonders zu sein. Für die meisten Menschen ist sie wahrscheinlich sogar fast schon komisch einfach. Für Roberto gehört allerdings viel Training und Aufwand dazu, denn Roberto ist ein Roboter. Fans einschlägiger Science Fiction-Literatur werden hier aber eher nicht auf ihre Kosten kommen. Statt eines rollenden Kompagnons al á R2D2 ist Robertos Erscheinung an einen Arm angelehnt, komplett mit einem Überzug aus glattem weißem Plastik und einem praktischen Greifer anstatt einer Hand. Sein Wirkbereich ist auf ein Viereck aus Metallstäben beschränkt, an denen Kameras installiert sind, damit er aus allen Winkeln erfassen kann, was auf dem Tisch vor ihm passiert, und seine Manöver planen kann.
Das ROBERTO-Projekt siedelt sich im Bereich der Robotik an und ist in dieser Form an der Uni Göttingen einzigartig. Dahinter steht ein Team aus Forschenden aus der Psychologie und der Physik, die im Rahmen des Verbundprojektes KEIKO (Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter) die Expertisen ihrer Forschungsfelder miteinander verbinden. Der Begriff der Robotik umfasst ein breites Feld an Themen und Gebieten, denen im Großen die Konzeption und der Einsatz von Robotern in verschiedensten Szenarien und Anwendung gemein ist.
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Bei der aktuellen Studie handelt es sich dabei um ein Folgeprojekt, das u.a. auf den Erkenntnissen aus Erhebungen im vergangenen Sommer beruht. Ziel ist es ein System zu konstruieren, indem Menschen mechanische Aufgaben entweder mit oder gegen Roboter lösen. Damit sind Aufgaben gemeint, in denen Objekte zum Beispiel zusammengebaut oder bewegt werden müssen. Zusätzlich wird nach Wegen gesucht, die emotionalen Zustände von Menschen während dieser Aufgaben messbar zu machen, um in Zukunft Möglichkeiten zu gestalten, Menschen die Interaktion mit Robotern möglichst angenehm und ansprechend zu machen.
Das KEIKO-Projekt ist eine Kooperation der Georg-August-Universität Göttingen, der TU Clausthal und der Universität Duisburg-Essen. Das Land Niedersachsen fördert die Forschung in den insgesamt sechs Teilprojekten mit 1.7 Mio. Euro. Das ROBERTO-Projekt umfasst dabei die Erfassung physiologischer und psychologischer Marker, die Aufschluss über den aktuellen Zustand eines Menschen geben sollen. Dazu wird beispielweise mithilfe eines EMGs die Muskelaktivität an den Augenbrauen gemessen, wodurch Rückschlüsse auf Dinge wie Konzentration oder Frustration gezogen werden können. Dazu werden Elektroden an den Augenbrauen angebracht, die die elektrischen Signale messen, die ausgesendet werden, wenn der Muskel beim Zusammenziehen der Augenbrauen angespannt wird. Dieser Teil des Experimentes liegt dabei in den Händen der Abteilung für Kognition, Emotion und Verhalten des Georg-Elias-Müller-Institutes für Psychologie, deren Forschungsalltag aus Studien mit ähnlich gearteten Messungen besteht und in diesem Fall besonderes Augenmerk auf die Empfindungen der Menschen legen.
Henrik Trommer, Doktorand der Physik in der Abteilung für computationale Neurowissenschaften, stellt im Rahmen dieser Zusammenarbeit sein technisches Know-How zur Verfügung und gibt Einblick in die Hintergründe der Studie. “Das Ganze ist im Fachbereich Affective Computing angesiedelt”, erklärt Trommer, “es geht also darum, wie man emotionale Wechselwirkungen zwischen Menschen und Maschinen erzeugt.”.
Diese Wechselwirkungen werden auch als Feedback bezeichnet, wobei die meisten Interaktionen mit Robotern sich bisher im Bereich der sog. “open loop”-Feedbacksysteme bewegt haben. Damit werden Interaktionen beschrieben, bei denen auf eine Handlung keine entsprechende Reaktion folgt. Der Fokus bisheriger Studien lag dann häufig darauf, was der Kontakt mit Robotern bei Menschen generell auslöst, ohne dass der Roboter auf den Menschen konkret reagiert.
Mit Roberto soll nun aber der Schritt hin zu “closed loop”-Feedbacksystemen gemacht werden. Die zentrale Frage ist hier, wie die Reaktion eines Menschen genutzt werden kann, um an den Roboter zurückgespielt zu werden und dessen weiteres Verhalten zu beeinflussen, ähnlich wie sich die Auswahl eines Feeds in den sozialen Medien an das Nutzungsverhalten der ihn nutzenden Person anpasst.
“Was wir hier machen, ist klar Grundlagenforschung”, führt Trommer aus. Für einen direkten Einsatz in industriellen oder sozialen Kontexten sei der experimentelle Aufbau zu aufwendig und stecke noch zu sehr in den Kinderschuhen. Grundsätzlich sehe er die spätere Anwendung auch eher in Pflege- oder Reha-Situationen als in einem Einsatz in der Fertigung. Dabei könnte die Fähigkeit entsprechend programmierter Roboter, ihr Verhalten an ihr Gegenüber anzupassen, von besonderem Nutzen sein und einen Beitrag zur sich verschärfenden Situation im Pflegesektor leisten.
Mit Blick auf die zukünftige Rolle von Robotern in der Gesellschaft macht Trommer jedoch klar: “Ich würde mir wünschen, dass die Leute Emotionen klar rausnehmen, wenn es um Robotik geht.”. Generell rät er dazu, mit Blick auf technische Entwicklungen gelassen zu bleiben und abzuwarten. Von den überschwänglichen Versprechen eines Elon Musk bleibt er unbeeindruckt. Das Stichwort sei viel mehr Integrierbarkeit: “Am Ende setzt sich die Technik durch, die am besten in die bestehenden Anwendungen integriert werden kann, das ist schon seit Menschengedenken so.”.
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Gleichzeitig glaubt Trommer, dass es in jedem Fall zukünftig vermehrt zum Einsatz von Robotern in verschiedenen Bereichen kommen wird. “Wenn man sich anguckt, was da jetzt schon alles so an Investitionen reingeflossen ist, gerade in den letzten Jahren, ist das eigentlich too big to fail”. Die Präsenz von Robotern wird also in jedem Fall zunehmen. Welche gesellschaftlichen Veränderungen diese Entwicklung mit sich bringen wird, bleibt abzusehen.
Roberto bereitet sich auf die nächste Runde vor. Seine Gelenke sirren leise, während sie ihn zurück in die Ausgangsposition fahren. Sein Algorithmus muss noch weiter trainiert werden, bevor er in den kommenden Monaten mit echten Versuchspersonen zusammen Aufgaben lösen soll. Dafür ist es besonders wichtig, dass das Erkennen von Händen funktioniert, wenn er mit einem Menschen zusammen im gleichen Bereich Arbeit verrichtet, damit ein flüssiges Zusammenspiel gewährleistet ist.
Das Team des ROBERTO-Projektes plant aktuell mit einem Studienstart im März diesen Jahres und will schon bald mit der Rekrutierung der ersten Versuchspersonen beginnen. Aus diesem Grund wird aus speziellen Details wie z.B. der konkreten Fragestellung noch ein Geheimnis gemacht. Teilnehmende haben aber natürlich die Möglichkeit nach der Durchführung des Experimentes Genaueres zu der Studie zu erfahren. Wie der ansonsten eher technisch wirkende Roboterarm zu seinem sympathischen Namen gekommen ist, verrät Trommer aber trotzdem.