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Pünktlich zum Corona-Lockdown im November beginnt Christoph Riemann sein Masterstudium „International Economics“ an der Georg-August-Universität Göttingen. Ich treffe ihn an einem kalten Novembermorgen kurz vor dem ersten Advent. Das Interview findet auf dem Göttinger Wall nahe des Auditoriums statt. Trotz widriger Temperaturen und stark umgekrempelten Unialltag bleibt er gelassen und strahlt Zuversicht aus.

Die Entwarnung kommt gleich zu Beginn des Interviews. Für den Masterstudiengang International Economics seien Christoph Riemanns Meinung nach Präsenzveranstaltungen nicht unbedingt notwendig. Das Studium sei auch in der derzeitigen Hybridform, also einer Mischung aus Präsenz- und Onlineveranstaltungen, absolvierbar.
Der erste Monat seines Studiums während der Pandemie neigt sich dem Ende zu und Christoph Riemann zieht eine erste Bilanz: Durchaus positiv. Bislang kommt er mit den Online- Vorlesungen und Seminaren gut zurecht. Diese finden teilweise auch in Präsenz, also in Räumlichkeiten der Universität, statt. Allerdings mit begrenzter Teilnehmerzahl. Die erlaubten Sitzplätze sind entsprechend markiert. Eine Registrierung vor den entsprechenden Räumen erfolgt durch das sogenannte „Darfichrein?“-Programm. Nicht begeistert ist Christoph Riemann von den Begleitumständen der Seminare. Hier müsse man dann aufgrund des empfohlenen Lüftens in den ausgekühlten Seminarräumen sitzen. Das Tragen einer Maske über eine längere Zeit sei auch nicht sehr angenehm. Lieber besuche er die Seminare online von zu Hause, da sei es sowieso viel wärmer, sagt er und lacht dabei. Aufgrund von Handreichungen der Universität sollte in Seminarräumen vor, nach und während Veranstaltungen gelüftet werden, was auch entsprechend umgesetzt wird.
Durch den Wegfall vieler Präsenzveranstaltungen und der begrenzten Teilnehmerzahl bei den verbleibenden Seminaren und Vorlesungen befänden sich nur wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Seminaren und Vorlesungen.

Corona Regeln der Uni Göttingen: An der Georg- August-Universität Göttingen gibt es Handreichungen, Regelungen und Rahmenbedingungen zum Umgang mit der Corona- Pandemie. Orientierung bietet vor allem der sogenannte Stufenplan. Er soll eine einheitliche Kommunikation während der Covid-19 Pandemie sicherstellen. Der Stufenplan reicht von Stufe eins „stabil niedriges Infektionsgeschehen“ über die aktuelle Stufe zwei „erhöhtes Infektionsgeschehen“ bis zu Stufe drei „Hohes In-fektionsgeschehen“. Zurzeit muss demnach in allen Gebäuden eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Präsenzveranstaltungen sollen nur stattfinden, wenn die Erreichung des Lernziels nicht anderweitig möglich ist. Exkursionen werden auf das nötige Maß reduziert. Es soll regelmäßig gelüftet werden. Prüfungen können in Präsenz in begrenztem Umfang stattfinden. Bibliotheken haben geöffnet, der Hochschulsport ist hingegen geschlossen. Es ist vorgesehen, dass etwa 30% der Lehrveranstaltungen in Präsenz stattfinden.

Hieraus würden sich aber insbesondere für Erstsemester Probleme ergeben. Entstehen doch gerade über das „Vorort-sein“ in Vorlesungen neue Kontakte; besonders für Erstsemester an einer neuen Universität entscheidend. Einerseits würden diese Auswirkungen der Corona-Pandemie den Studentenalltag erheblich verändern. Andererseits zeigt Christoph Riemann auch Verständnis für die Einschränkungen. Würden sie doch dazu dienen, die Ansteckungsgefahr zu minimieren.

Christoph Riemann hat für sich selbst einen anderen Weg gefunden, zügig in einer unbekannten Stadt neue Leute kennen zu lernen. Er ist einer Studentenverbindung beigetreten. Eine Verbindung ist ein Zusammenschluss von Studenten einer Universität zur gemeinschaftlichen Gestaltung ihres Studiums sowie zur Traditionspflege, zum Beispiel durch wissenschaftliche Vorträge und Veranstaltungen. Dabei wohnen sie zu preiswerten Mieten gemeinsam in einem Haus. Die Alumni der Verbindung, die sogenannten Alten Herren, unterstützen sie hierbei finanziell.

Neben der Tatsache, neue Leute kennen zu lernen, war es auch die Neugierde, die ihn antrieb, einer Verbindung beizutreten. In Hinblick auf die Corona-Beschränkungen hat seine Mitgliedschaft dort noch einen weiteren Vorteil. Seine Mitbewohner kommen aus unterschiedlichen Studienrichtungen. So kann er auch Studenten aus anderen Fächern kennen lernen, was aufgrund der derzeitigen Kontaktbeschränkungen nicht so einfach möglich wäre. Für Christoph Riemann bedeutet dies auch ein Blick über den Tellerrand des eigenen Studienfaches hinaus. Aber noch viel wichtiger während der Corona-Zeit, in der der direkte Austausch mit Kommilitonen nicht so eng sein kann wie sonst: Zwei der Hausbewohner kommen ebenfalls aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich. So können sie ihn gleich zu Studienbeginn mit Insider-Wissen über den Fachbereich versorgen. Hierzu zählen zum Beispiel Seminare, die man auf jeden Fall besuchen sollte oder auch Ansprechpartner für bestimmte Anliegen. Für Christoph Riemann hat die Studentenverbindung zudem einen weiteren positiven Nebeneffekt. Er war in seiner Heimat in Melle in diversen Vereinen ehrenamtlich aktiv und fühlt sich in Gesellschaft wohl. Soziale Gemeinschaft, während Corona stark reduziert, kann ihm die Verbindung ein großes Stück weit geben.

Nach zahlreichen Praktika bei CDU und FDP steht es für ihn außer Frage, sich von sämtlichen extremistischen Positionen an den politischen Rändern abzugrenzen . Einige wenige Studentenverbindungen lassen Christoph Riemann zufolge diese deutliche Abgrenzung vermissen und würden so dem Ruf aller Verbindungen schaden und die Vorbehalte gegen sie befeuern. Über einige Verbindungen mit all ihren Verpflichtungen heißt es zudem, sie würden ihre Mitglieder manchmal vom Studium abhalten. Christoph Riemann winkt ab. Bestimmte Veranstaltungen gehörten, im Einklang mit den Corona-Verordnungen, einfach dazu. Wenn er allerdings für die Uni lernt, wird das von seinen Freunden auf dem Verbindungshaus absolut akzeptiert. Ein erfolgreiches Studium hat hier hohe Priorität.

Foto: Wawrzinek

Ob sich Christoph Riemann zu Semesterstart in Göttingen und insbesondere an der Universität verloren gefühlt hat? Schließlich sind die Begleitumstände für einen frischgebackenen Erstsemester alles andere als gewöhnlich. Er schaut in die Ferne und überlegt kurz. „Von der Universität her, also über das Studium, habe ich mich nicht verloren gefühlt.“ Geholfen hat Christoph Riemanns Meinung nach das sogenannte Tandemprogramm der Fachschaft. Ein Student aus höherem Semester wird jedem Erstsemester für Fragen „zur Seite gestellt“. Zwei Wochen vor Vorlesungsbeginn, am 19.10.2020, starteten Campus- und Stadtführungen der Fachschaft der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Hierbei konnte Christoph Riemann bereits erste Kontakte knüpfen und einer WhatsApp-Gruppe mit seinen Kommilitonen beitreten. In der darauffolgenden Woche stand die sogenannte Orientierungsphase des „WiWi-O-Phase e.V“ auf dem Programm. Diese fand bereits im online Format statt. Das Kürzel WiWi steht für Wirtschaftswissenschaften. Am 02.11.2020 startete dann endlich der coronabedingt verschobene Vorlesungsbetrieb.

„Ein wenig verloren ist man in gewisser Form in einer neuen Stadt immer.“

Christoph Riemann


Ein wenig verloren sei man in gewisser Form in einer neuen Stadt immer, aber Tandemprogramm sowie Campus- und Stadtführungen vor dem Lockdown hätten ihm vor dem Hintergrund der derzeitigen Kontaktbeschränkungen viel geholfen. Trotz ungemütlicher Kälte in den Seminarräumen nimmt er an einigen dieser Veranstaltungen in Präsenz gerne teil. Dadurch bestünde dann auch immer noch die Möglichkeit zum direkten Austausch mit seinen Mitstudentinnen und -studenten.
Gewundert hat Christoph Riemann, dass es in den ersten Tagen nach Vorlesungsbeginn teils technische Probleme mit den Online-Veranstaltungen gab. Die Server waren mit den zahlreichen Online-Vorlesungen und -Seminaren schlichtweg überlastet. „Das hätte man auch gar nicht wissen können“ sagt Christoph Riemann mit ironischem Unterton. Seinen Bachelor in Volkswirtschaftslehre hat er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster absolviert. Dort hätte es schon vor der Corona-Pandemie vereinzelt die Option der digitalen Teilnahme an Vorlesungen gegeben. Mittlerweile würden aber auch diese Vorlesungsformate in Göttingen reibungslos funktionieren.

Ein Semesterstart unter Pandemie-Bedingungen ist für alle Beteiligten ungewöhnlich und schwierig. Christoph Riemann hat es schnell geschafft, seinen Weg in Göttingen zu finden und Fuß zu fassen. Er beklagt sich nicht.

Christoph Riemann sieht Umgestaltungen des Studiums und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nicht als Steine im Weg, sondern als Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. „Man kommt gut klar.“ Der Semesterstart der etwas anderen Art ist gemeistert. Die nächste Herausforderung im Studium kann kommen.


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