Jasmin sitzt an ihrem Schreibtisch, rund 20qm hat ihr Zimmer, besser gesagt ihre Ein- Zimmer Wohnung. Collagen mit Fotos von Familie und Freunden zieren die Wände, neben dem Schreibtisch kleben einige selbsgestaltete Motivationszettel. Hier schläft, lebt und lernt die 24- Jährige und das oftmals 24 Stunden am Tag. Das war allerdings nicht immer so: „Vorher (Anmerkung: damit meint sie vor der Coronakrise) da bin ich morgens um sechs aufgestanden, hab mich fertiggemacht und war dann um kurz vor acht in der Uni“ Dabei folgte ihr Tagesplan einem stringenten Muster: Nach den Vorlesungen ging es zusammen mit Kommilition*innen und Freunden zum Essen in die Mensa, anschließend zum Lernen in die Bibliothek. „Abends um acht war ich dann meistens zuhause und völlig fertig.“
„Momentan ist einfach alles anders, man kommt gar nicht mehr so richtig raus.“
Weil alle Vorlesungen online statt finden, steht Jasmin generell später auf, ist bereits innerhalb von zehn Minuten für den Tag gestyled und setzt sich vor den Schreibtisch. Mit neuen Online- Programmen wie Zoom oder Big Blue Button wird dann die Vorlesung abgehalten. In einen anderen Raum gehen? Kaum möglich. „Abends wechsle ich dann meistens vom Schreibtisch auf die Couch“ sagt sie und lacht dabei. Dabei ist ihr im Moment gar nicht nach Lachen zu Mute. Der psychische Druck, den die Jura- Studentin durch ihr anstehendes Examen verspürt, gepaart mit der kompletten Umstellung, nur mehr von zuhause aus lernen zu können, setzt ihr ziemlich zu.
„Es fehlt einfach der Ausgleich, der Kontakt zu meinen Kommiliton*innen, die mich nach einer stressigen Vorlesung wieder auf den Boden bringen und mich beruhigen.“ Zwar ist man in seiner Zeiteinteilung viel freier und spart sich beispielsweise auch den Weg zur Uni, dennoch fehlen ihr die gelegentlichen Treffen mit anderen Studierenden auf dem Campus sehr. Auch das virtuelle Lernen funktioniert viel schlechter, findet Jasmin. Denn wenn ein Professor eineinhalb Stunden spricht, nicht zu sehen ist und auch kaum Zwischenfragen gestellt werden, dann schaltet man irgendwann ab.
Hinzu kommt: Jasmin lebt alleine hier in Deutschland. Ihre Eltern sind im Teheran geblieben, als sie sich entschied, in Deutschland zu studieren. Der Lockdown war für sie daher besonders schlimm.
„Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem die Schließung der Uni verkündet wurde. Ich stand auf dem Campus, als Freunde mir davon erzählten. Das Einzige was ich mir dabei dachte war: Was mache ich jetzt nur, ich bin ganz alleine in einem fremden Land und meine Eltern sind quasi unerreichbar.“
Die ersten Wochen der Corona-Krise stellten für die Jura-Studentin daher eine besondere Herausforderung dar. Der geregelte Tagesablauf fiel weg, viele ihrer Freunde zog es in die Heimat zu ihren Familien. Zum Glück ist momentan wieder der übliche Alltag eingekehrt, wenn auch etwas anders als vorher und mit einigen Einschränkungen. Aber man hat sich schnell an die Umstellung gewöhnt, findet Jasmin.
Angst vor der Zukunft hat sie nicht. „Dafür fehlt mir gerade einfach die Zeit- ich habe ganz andere Dinge im Kopf.“ Oberste Priorität ist daher erst einmal das lang ersehnte Examen zu schaffen. Ob sich die Corona- Krise später bei der Jobsuche noch bemerkbar machen wird, das wird sich zeigen. In erster Linie hofft Jasmin, dass das Wintersemester wieder ganz normal stattfindet, sie wieder in die Uni gehen kann und das Lernangebot wieder vielfältiger wird.
„Diese Ungewissheit, das setzt einem einfach zu, niemand kann mir sagen wie es genau weitergeht.“
Dass man in so einem wichtigen Abschnitt seines Studiums kaum von der Universität auf dem Laufenden gehalten wird, macht Jasmin ziemlich wütend. „Schließlich geht es hier um meinen Abschluss.“ Sie fühlt sich allein gelassen mit den Problemen, die die Umstellung auf das E-learning mit sich bringen. Aus diesem Grund hofft die junge Frau, dass das Wintersemester wieder so stattfinden wie immer. Sie sich mit Freunden auf dem Campus treffen kann und aber vor allem eines: Eine bessere Betreuung während der Examensvorbereitung- was ihrer Meinung nach nur mit Anwesenheit in der Uni wirklich gewährleistet werden kann.