Jürgen H., nach einer langen arbeitsreichen Woche wieder zu Hause.

Jürgen H. lebt den Traum vieler kleiner Jungen: Später einmal Polizist zu sein. Doch das ist gar nicht so actionreich, wie viele es aus dem Fernsehen kennen. Ein Portrait eines Mannes, der versucht, Düsseldorfs Straßen sicherer zu machen.

Von Jonas Noswitz

Jürgen H., nach einer langen arbeitsreichen Woche wieder zu Hause.
Jürgen H., nach einer langen arbeitsreichen Woche wieder zu Hause.

             

Bei Jürgen H. gibt es kaum einen Tag, der wie der andere ist. „Das ist gerade für mich das Interessante daran“ sagt er. Jürgen H. ist Kriminalhauptkommissar im Bereich Jugendkriminalität in Düsseldorf und leitet ein neunköpfiges Team einer operativen Einheit. Seinen vollständigen Namen möchte er lieber nicht öffentlich nennen.

Sein Tag beginnt meist wie für viele relativ unspektakulär: Mit der Fahrt ins Büro. Je nachdem, ob er Frühdienst oder Spätdienst hat, ist er entweder von 7 bis 15 Uhr bei der Arbeit oder von 15 bis 23 Uhr. Dies ist jedoch meist nur ein grober Rahmen und der Versuch, die Woche ungefähr zu planen. Denn je nach Fall kann es auch mal etwas länger dauern. „Wenn Observationen anstehen, können diese Zeiten sehr flexibel sein“, erzählt er. Kriminelle halten sich natürlich an keinen Dienstplan. „Das Ende ist oftmals offen. Das ist jedoch nicht in jedem Bereich der Polizei so. Es gibt auch Dienststellen mit geregelteren Arbeitszeiten.“ Bei Jürgen H. findet die Arbeit auch nicht auf einer typischen Wache statt. „Wir haben eine ausgelagerte Dienststelle direkt angegliedert an das Jugendkommissariat.“ Von dort aus gibt es dann auch Arbeitsaufträge, wenn etwas Konkretes vorliegt. Wie so etwas in der Regel abläuft? „Aufgrund von Anzeigen und Informationen werden die jugendlichen Täter in der Regel durch die Kollegen und Kolleginnen des Kommissariats ermittelt. Bei nötigen operative Maßnahmen, werden die Aufträge an den ´Einsatztrupp Jugend´ weitergegeben. Das ist dann oftmals bei jugendlichen Intensivtätern der Fall.“ Als Intensivtäter werden Personen beschrieben, die wegen mindestens fünf Straftaten pro Jahr verdächtigt werden. „Wir erarbeiten uns dann in Zusammenarbeit mit dem Kommissariat und teilweise mit der Staatsanwaltschaft Maßnahmen, die wir gegen die Täter treffen.“ Hierbei wird bereits deutlich: der Polizeidienst ist nicht mit dem vergleichbar, was man aus dem Fernsehen kennt.

Bei jugendlichen Tätern geht es grundsätzlich darum, dass erzogen werden soll. „Man will dem Jugendlichen sagen: was du gemacht hast, ist falsch“. Hierbei wird dann zeitnah das Gespräch mit dem Jugendlichen und den Eltern gesucht und das Jugendamt miteinbezogen. „Aus diesem Grund ist auch beim Strafmaß der Justiz die Haft das letzte Mittel“. Als erzieherische Maßnahmen folgen vorerst Sozialstunden oder kurze Arreste. „Wenn das dann irgendwann nicht mehr fruchtet, kommt es als letztes Mittel zu einer Haftstrafe, damit auch die Zivilbevölkerung geschützt wird. Des Weiteren ist es unsere Aufgabe, Kriminelle Gruppen zu erkennen und zu zerschlagen und in Stadtteilen mit hoher Jugendkriminalität Präsenz zu zeigen.“

 

An der Polizeiwache
An der Polizeiwache

 

Sollte es dann doch mal zu einem Haftbefehl kommen, muss dieser dann auch vollstreckt werden. Hier kann es schon mal gefährlich werden. „Es gibt auch Einsätze, die tatsächlich brisant sind“, erzählt Jürgen H. Das hängt auch damit zusammen, dass die Gegenwehr gegenüber der Polizei steigt. So sei ein vernünftiges Kommunizieren mit Verdächtigen meist nur schwer möglich. „Gerade im Intensivtäterbereich sind die Leute sehr polizeierfahren. Schießen musste ich bis jetzt aber nur einmal.“ Bei einem geplanten Zugriff auf litauische Autoschieber, bei denen sich auch ein jugendlicher Verdächtiger befand und sich auf Range Rover spezialisierten, wurde es in einem Industriegebiet heikel. „Wir wussten bereits, dass diese Tätergruppe ein sehr hohes Aggressionspotenzial hat.“ In den Hallen des Industriegebiets entkam ein Verdächtiger aus der Zugriffssituation. „Er kam dann auf mich zugelaufen und hat dabei in seine Tasche gegriffen, da musste ich dann zum Glück nur einen Warnschuss abgeben, um ihn zu stoppen.“

Gezielt musste Jürgen H. noch nie schießen. „Da hoffe ich auch, dass das bis zu meinem Berufsende nicht vorkommt.“ Ein Schuss mit möglicher Todesfolge kann freilich auch für einen erfahrenen Polizisten ein einschneidendes traumatisches Erlebnis darstellen. Um im Ernstfall bereit zu sein, wird regelmäßig trainiert. „Wir sind verpflichtet, mindestens einmal im Quartal den Gebrauch der Schusswaffe zu üben, häufiger ist natürlich besser.“ Bei einer operativen Einheit ist die Grundgefahr gerade in Großstädten omnipräsent. „Am gefährlichsten sind Messerangriffe. Bis man seine Waffe gezogen hat, kann jemand schon mal sieben bis zehn Meter auf einen zu laufen.“ Anders als im normalen Wachdienst macht hier die taktische Komponente den Unterschied. „In meiner Einheit suchen wir uns die Situation aus. Wenn ein Einsatz nicht so läuft wie geplant, bricht man ab und plant neu. Das ist bei uns der Vorteil.“

Doch wie kam Jürgen H. ursprünglich zum Polizeidienst? „Das ist eigentlich eine schwere Frage. Ich war da wohl vorbelastet durch zwei Cousins, die auch bei der Polizei sind“, meint der Polizist. Jedoch führte ihn sein Weg nicht direkt in den Polizeidienst. Eine Ausbildung als Elektroniker stand am Beginn seines Werdegangs. Danach folgten sechs Jahre in der Hubschrauberstaffel der Bundeswehr. Erst mit 26 stand die Entscheidung für den Polizeidienst fest. „Gerade die Zeit beim Bund möchte ich aufgrund der Lebenserfahrung nicht missen“, sagt er auf die Frage, ob er heute etwas anders machen würde. Nach dreijähriger Ausbildung an der Fachhochschule Münster ging es dann 2004 in den Streifendienst nach Düsseldorf. Drei Jahre später und nach einer anschließenden Position als Stellvertretender Dienstgruppenleiter folgte (2010) der Wechsel zur Direktion Kriminalität und (2012) die Leitung seiner Einheit im Bereich Jugend.

Privat lebt Jürgen mit seiner Frau Karolin und seinen beiden kleinen Söhnen weit ab der Großstadt auf einem umgebauten Bauernhof nahe der holländischen Grenze. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass er aus dem ländlichen Bereich stammt. Auch die berufliche Erfahrung im Jugendbereich hat den 42-Jährigen und seine Frau dazu veranlasst, ihr privates Umfeld für die Kinder bewusst zu wählen. „Abgesehen davon, dass die Kinder hier freier draußen spielen können, ist das Umfeld ein ganz anderes. Dafür nehme ich den langen Fahrweg gerne in Kauf.“ So sei es laut seiner Erfahrungen für die Entwicklung von Kindern, abgesehen vom Elternhaus, durchaus wichtig, in welchem Umfeld sie aufwachsen.

Seine Frau Karolin, ebenfalls im Polizeidienst, lernte Jürgen 2009 durch ihre Zusammenarbeit kennen. Ob sie manchmal Angst um ihren Mann habe, wenn er im Dienst ist, verneint sie. „Da ich aus demselben Berufsfeld komme, kenne ich das ja. Natürlich ist die Gefahr immer da, aber Jürgen weiß schon was er tut.“ Hierbei stören mehr die ungewissen Arbeitszeiten das geregelte Familienleben. „Andere Berufe sind da sicher familienverträglicher“, sagt Jürgen H. Ein Leben ohne den Polizeidienst kann er sich aber trotzdem nicht mehr vorstellen.

Ob er in Zukunft noch woanders arbeiten wird, lässt er offen. Ein Wechsel in andere Arbeitsbereiche ist bei verfügbaren Stellen durchaus möglich. Nur eins ist jetzt schon sicher: An mangelnder ´Kundschaft´ werden in den immer weiterwachsenden Metropolen wie Düsseldorf Hauptkommissar Jürgen H. und seinen Kollegen auch in Zukunft nicht leiden. „Arbeitslos werden wir da sicher nicht“, scherzt er.

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