Die Idee zu Viva con Agua wurde 2005 im Trainingslager des FC St. Pauli auf Kuba geboren. Seitdem setzt sich der Verein für sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen in verschiedenen Ländern Asiens und Afrikas ein. Ein Besuch.
An einem Dienstag Vormittag treffen wir uns mit Merten, dem Zuständigen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Göttinger Local Crew von Viva con Agua (VcA). „Eigentlich verwurste ich nur das Material, was mir gegeben wird, in Facebook-Posts“, winkt er lachend ab. Er sieht genau wie wir noch etwas müde aus, doch manövriert seinen Kaffee gekonnt durch den studentischen Menschenpulk. Wir treffen uns in dem in der Uni ansässigen Café und beginnen das Gespräch, indem wir darüber nörgeln so früh aufstehen zu müssen und dass man sicherlich niemanden erzählen dürfe halb elf am Vormittag für zu früh zu empfinden. Viel mehr Klischee geht kaum.
Sympathisch chaotisch
Am Tag zuvor besuchten wir den VcA-Einsteigerabend, der ebenfalls in Räumlichkeiten der Uni stattfand. Dies ist möglich, da VcA in Göttingen als Hochschulgruppe eingetragen ist, was gerade die Suche nach Räumlichkeiten sehr vereinfacht. Der Einsteigerabend verläuft aus der Sicht vieler Neulinge etwas chaotisch und ein wenig unüberschaubar. Es ist nicht leicht festzustellen, wer gerade zum ersten Mal bei einer VcA-Veranstaltung und wer bereits Mitglied ist. Alle reden durcheinander, begrüßen sich, lächeln. Jedes Gesicht hat man zuvor schon irgendwie irgendwo gesehen – wie so häufig in Göttingen. Süßigkeiten und Kuchen werden munter durchgereicht und drehen immer wieder ihre Runden. „Das war alles ein wenig spontan geplant“, fügt Merten am nächsten Morgen grinsend an, „Wir haben noch alle Tafeln in der Uni vollgekritzelt und gehofft, so noch möglichst viele Leute über den Abend informieren zu können.” Nach einer kurzen Vorstellungsrunde sollte der Einsteigerabend aber deutlich strukturierter und klarer werden. Im Wechsel führen verschiedene VcA- Mitglieder durch die Veranstaltung und halten eine Präsentation, die so vor kurzem noch an Schulen vorgeführt wurde. Wir erfahren von der Planung und Durchführung eines Spendenlaufs an zwei Göttinger Schulen und der Zusammenarbeit mit der Hamburger Zentrale. Bei diesem Spendenlauf sollen die Schulkinder Förderer für sich gewinnen, die bereit sind pro gelaufene Runde der Kinder einen gewissen Betrag zu spenden. Etwa 4.000 bis 5.000 Euro sind laut Merten an den zwei Tagen des Spendenlaufs zusammengekommen, außerdem waren die Kinder „sehr motiviert und begeistert dabei“. Das eingenommene Geld soll für Brunnenprojekte in Nepal und Indien verwendet werden.
„Mein Bruder hat über 800 € Pfand gesammelt“
Im Café fragen wir Merten, wie er das erste mal von VcA gehört hat. Daraufhin erzählt er uns eine Geschichte von einem Rock-Festival und seinem damals neunjährigen Bruder. Dieser konnte mit der Musik noch nicht so viel anfangen und sammelte deshalb den ganzen Tag lang Pfand. Als die Brüder dann auf den VcA-Stand stießen und sich über deren Ziele unterhielten, war für den Bruder klar, dass er das Projekt unterstützen möchte. Und so landete etwa die Hälfte seines gesammelten Pfandes in der Spenden-Tonne des Vereins. Der Wert der gesammelten Dosen, Becher und Flaschen betrug „etwa 800 €“, erinnert sich Merten.
Zum einen sind es vornehmlich junge Menschen, die sich für VcA engagieren. „Es gibt sehr viele junge Supporter, viele 14- jährige, die auf uns zu kommen und fragen, wie sie helfen können“, erklärt Merten. Zum anderen ist es typisch, dass Merten und sein Bruder durch ein Festival auf VcA gestoßen sind. So sind es, obwohl die Gründung auf den Fußballclub F.C. St. Pauli zurückgeht, häufig Musiker, die zur Bekanntheit von VcA beitragen. So verzichtet z.B. die Rapband Die Orsons auf ihrer aktuellen Tour auf Gästelistenplätze und spendet den Erlös aus den zusätzlichen Tickets an den Hamburger Verein. Der Rapper Marteria sammelte dagegen während des Crowdsurfens in einem Schlauchboot Pfandbecher für VcA. Es sind Aktionen wie diese, die VcA für junge Leute so attraktiv machen.
Auch Merten selbst war erst 14 Jahre alt als sein kleiner Bruder die Hälfte seines Pfand-Vermögens spendete. Die unzähligen Festivalbändchen an seinem linken Handgelenk zeigen, dass es nicht sein letztes Festival gewesen ist. Konzerte und Festivals dienen dem Verein als Plattform, auf der er sich vorstellen und zeitgleich Spenden sammeln kann. Auch dadurch blieb der Verein immer in Mertens Blickfeld. Als dann im Jahr 2013 die Göttinger Local Crew gegründet wurde, war für ihn sofort klar, dass er sich engagieren möchte.
Was ist virtuelles Wasser?
Auch Bildungsarbeit stellt neben dem bekannten Pfandsammeln eine zweite große Säule der VcA-Arbeit dar. So war der Verein beispielsweise am Weltwassertag, dem 22. März mit einem Stand in der Innenstadt vertreten und dekorierte die Bordsteine mit in Kreide geschriebenen Fragen, wie: „Was ist virtuelles Wasser?“ Eine Frage, die nur wenige Passanten beantworten konnten. Merten erinnert sich daran, wie erstaunt ein älterer Herr darüber war, dass es 15.000 Liter Wasser benötigt um einen Kilo Rindfleisch zu produzieren. Mit einem breiten Grinsen fügt er an: „Da wird er in Zukunft häufiger drüber nachdenken, wenn der Hahn läuft“. Folglich kamen immer wieder interessierte Fußgänger auf die VcA- Crew zu. Eine für die Philosophie des Vereins typische Situation. „Wir wollen uns nicht aufdrängen, die Leute sollen von sich aus auf uns zu kommen“, erklärt Merten.