Foto: ©privat, Göttinger Studierende protestieren gegen „Nazi-Aufmarsch“ in Hannover 

Göttinger Studierende engagieren sich gegen rechts

Dienstagabend, kurz vor sechs. Im Foyer des Zentralen Hörsaalgebäudes (ZHG) der Universität Göttingen ist es mittlerweile ruhig. Der Trubel des Tages hat sich gelegt, das Café Campus hat längst geschlossen. Nur vereinzelt hallen noch Schritte durch die Flure, irgendwo klappt eine schwere Tür ins Schloss. Wer um diese Uhrzeit noch durch die Gänge huscht, hat vielleicht ein gemeinsames Ziel: den Hörsaal 103. Drinnen sind fast alle Plätze besetzt. Vorne auf dem kleinen Podium haben es sich einige auf den Tischkanten bequem gemacht, andere lehnen an den Wänden. In der Mitte des Podiums stehen Leute, die bereit sind, die Tagesordnung vorzustellen. Die Stimmung ist konzentriert, aber auch motiviert – hier soll nicht nur geredet, sondern auch gehandelt werden. Das leise Tuscheln verstummt langsam, es kann losgehen: Das wöchentliche Plenum von Studis gegen Rechts (SGR) Göttingen. Einer studentischen Initiative, die sich gegen rechte Strukturen an der Uni, in der Stadt und bundesweit organisiert hat. 

Foto: ©privat, Podiumsdiskussion bei der Vollversammlung der „Studis gegen Rechts“ am 09.12.2024

Von Göttingen bis Riesa – eine bundesweite Bewegung wächst

„Es passiert einfach nichts gegen rechts, niemand unternimmt was. Und aus diesem Gefühl der Machtlosigkeit heraus ist Studis gegen Rechts entstanden und erreicht so viele junge Menschen,“ sagt die Studentin Hanna (20), die seit letztem Herbst bei SGR aktiv ist. Die Göttinger Gruppe ist mit ihrem Engagement aber nicht allein. Als bundesweite, „antifaschistische“ Bewegung ist Studis gegen Rechts mittlerweile in mehr als 25 Städten aktiv – immer wieder kommen neue dazu. Wie groß ihr Mobilisierungspotenzial ist, zeigte sich erstmals am 11. Januar im sächsischen Riesa. Zum Protest gegen den AfD-Bundesparteitag hatte die Organisation gemeinsam mit linken Bündnissen und Gewerkschaften aufgerufen. „Und das mit Erfolg“, berichtet der VWL- und Politikstudent Till (21) stolz. „Allein aus Göttingen reisten wir mit sieben Bussen und über 400 Demonstrierenden an. Es war beeindruckend zu sehen, wie viele bereit sind, aktiv zu werden.“ 

Solidarität mit den Streikenden in den Betrieben 

„Unsere Solidarität endet aber nicht an der Hörsaaltür, betont die Studentin Hanna (20), die in der Arbeitsgruppe (AG) Betriebe aktiv ist. „Aktuell streiken viele Einrichtungen, wie KiTas, Entsorgungs- und Verkehrsbetriebe, um in den laufenden Tarifverhandlungen bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Da wir nicht nur gegen etwas, sondern auch für etwas sein wollen, unterstützen wir die Arbeiter:innen in ihren Streiks und zeigen: Eine solidarische Alternative ist möglich.“ Die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes habe die Gruppe dazu bewegt, sich stärker mit den Streikenden zu vernetzen. Gemeinsam mit Gewerkschaften wie Ver.di planen sie betriebliche Solidaritätsaktionen. Studierende unterstützen dabei nicht nur die Streiks, sondern kämen auch mit den Mitarbeitenden vor Ort ins Gespräch. Doch gehe es dabei nicht nur um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Die Solidarität mit den Streikenden solle auch langfristig verhindern, dass rechte Strukturen in Betrieben an Einfluss gewinnen. „Wenn Beschäftigte sehen, dass sie durch Streiks tatsächlich etwas ändern können, dann wird ihre Unzufriedenheit und damit der Nährboden für rechte Erzählungen entzogen“, erklärt Hanna. „Die AfD gibt sich oft als Partei der ‚kleinen Leute‘, aber eigentlich will sie Gewerkschaften schwächen und Arbeitnehmer:innenrechte abbauen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir zeigen: Verbesserungen kann man sich demokratisch erkämpfen – und das funktioniert auch.“  

Foto: ©Hendrik Bammel, „Studis gegen Rechts“ protestieren zusammen mit Ver.di gegen Querdenken-Aufmarsch am 1.02. in Göttingen

Gegen Querdenken auf der Straße – „Kein Platz für rechte Hetze“

In den vergangenen Wochen hat sich die Arbeit von SGR Göttingen – vor allem die der AG „Widersetzen“ – um die Planung und Organisation des Protestes gegen den Querdenken-Aufmarsch am 1. Februar in Göttingen gedreht. „Es war klar, dass dem Aufruf viele rechte Gruppierungen folgen würden“, sagt Till, Mitglied der AG Widersetzen. „Also haben wir zusammen mit dem Bündnis gegen Rechts mobilisiert, um einen stabilen Gegenprotest auf die Straße zu bringen.“ Die AG organisiert vor allem Demonstrationen gegen rechte Akteur:innen – ein zentrales Anliegen der Gruppe. Seit ihrer Gründung im Wintersemester hat sich SGR Göttingen bereits an zahlreichen Protesten beteiligt. „Beim Querdenken-Aufmarsch wussten wir, dass dieser nicht nur aus klassischen Impfgegner:innen bestehen würde“, erklärt Till. „Solche Proteste werden immer wieder von rechten Gruppen genutzt, um sich zu vernetzen und ihre Hetze salonfähig zu machen.“ Gerade deshalb sei es wichtig, klare Gegenpositionen einzunehmen. Gemeinsam mit „antifaschistischen“ Gruppen, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen stellte sich SGR der Versammlung entgegen. „Wir haben gezeigt, dass es in Göttingen keinen Platz für rechte Hetze gibt“, betont Till.  

Zwischen Haltung und Handlung – Was Studierende vom Aktivwerden abhält

Doch auch wenn die Initiative bei vielen Studierenden auf Zustimmung trifft, engagiert sich längst nicht jede:r aktiv. Trotz der zahlreichen Mobilisierungsaktionen gibt es viele, die von Studis gegen Rechts noch nichts gehört haben: „Ich habe noch nicht viel davon mitbekommen, was ich persönlich sehr schade finde. Es ist extrem wichtig, dass es das gibt, und dass sich Leute da engagieren,“ äußert die Jura-Studentin Jana (26). So wie ihr geht es einigen: Sie stehen hinter den Inhalten, haben aber durch Studium und Nebenjob oft nicht genug Zeit, um selbst aktiv zu werden. Trotzdem findet Jana: „Jeder hätte die Zeit, zu einer Kundgebung zu gehen. Es gibt ja die Gruppe, die das organisiert. Dahinzugehen und ein Statement zu setzen, dafür sollte sich eigentlich jeder die Zeit nehmen.“

Eine Bewegung, die bleibt?

Dass sich SGR in kurzer Zeit zu einer festen Größe am Göttinger Campus entwickelt hat, liegt nicht nur an den großen Mobilisierungen wie zur Vollversammlung im Dezember, zu der über 900 Studierende zusammenkamen, oder zum Protest gegen den AfD-Parteitag in Riesa. Es seien vor allem die wöchentlichen Treffen, in denen konkrete Aktionen geplant werden: Bannermal-Workshops, Glühweinstände, Social-Media-Kampagnen oder die Verteilung von Infomaterial in der Mensa. „Wir merken, dass Menschen immer mehr das Gefühl haben auch aktiv werden zu müssen und ich bin zuversichtlich, dass da in Zukunft noch viel kommen wird und wir die Möglichkeit haben, richtig was zu verändern,“ resümiert Till.

Foto: ©Lena Havekost, Göttinger Studierende sammeln Spenden für SGR am Glühweinstand

Dienstagabend, kurz nach acht. Das Stimmengewirr im Hörsaal 103 ist wieder lauter geworden, Stühle klappern, Taschen werden geschultert. Ein paar Leute bleiben noch kurz, um sich über die nächsten Aktionen auszutauschen, während andere schon Kleister anrühren und Plakate sortieren. Draußen ist es längst dunkel, aber für viele ist der Tag noch lange nicht vorbei. In kleinen Gruppen ziehen sie los, um den Campus und die Innenstadt mit ihren Botschaften zu „verschönern“.

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