Eine Sprach-Lern-App und Soziale Medien bieten neue Zugänge zur plattdeutschen Sprache

Die App Platt mit Beo // Foto: Jonas Jehnichen

„Moin, mien Naam is Beo. Schöön, dat Du dor büst!“ Mit krächzender Stimme grüßt Beo, ein freundlicher, schwarzer Singvogel mit orangenem Schnabel. Beo lädt dazu ein, mithilfe einer App gemeinsam plattdeutsch zu lernen: „Wi snackt nu beid Platt tosamen.“ Zum Einstieg in die niederdeutsche Sprache stellt der Vogel ein paar einfache Fragen und belohnt richtige Antworten mit einem anerkennenden Pfeifton. In norddeutschem Tonfall und mit guter Laune führt Beo durch die Lektionen. Es geht um Beo siene Familie oder Bi Beo tohuus. Am Ende einer erfolgreichen Einheit zieht der Vogel einen quadratischen Doktorhut auf und lobt: „Wunnerbor! Löppt!“

Zahlreiche solcher Lektionen mit interaktiven Übungen zum Niederdeutsch Lernen bietet die vor kurzem erschienene App Platt mit Beo. Namensgebend dafür ist der Bergbeo, eine in Südostasien beheimatete und besonders sprachbegabte Vogelart. Nicht nur der Vogel erinnert an die weltweit erfolgreiche Sprach-Lern-App Duolingo und ihre grüne Eule: Mit anfangs simplen Fragen und vielen Wiederholungen erklärt Beo die Sprache. Schon nach kurzer Zeit können auf diese Weise eingestaubte Plattdeutsch-Kenntnisse aufgefrischt – oder ganz neu erlernt werden.

„Zeitgemäßes Instrument zum Erlernen der Sprache“

Seit November 2024 ist Platt mit Beo kostenlos verfügbar. Bislang wurde die App allein im Google-Play-Store schon mehr als 10.000-mal heruntergeladen. Darin enthalten sind etwa 4.000 Audioaufnahmen und über 3.500 plattdeutsche Wörter. Auch unterscheidet die App zwischen zwei Sprachregionen: West- und Ost-Niederdeutsch. So ist der gesamte norddeutsche Raum von Westfalen bis Vorpommern abgedeckt.

Entstanden ist die App in Zusammenarbeit von verschiedenen niedersächsischen Landschaftsverbänden, der Universität Greifswald sowie dem niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur als Förderer. Hauptverantwortlich für das Projekt ist die Direktorin der Oldenburgischen Landschaft Dr. Franziska Meifort. „Plattdeutsch ist ein wichtiges Kulturgut und identitätsstiftend. Es ist uns allen ein wichtiges Anliegen, diese Sprache lebendig zu halten und zu fördern“ betont Meifort im Rahmen der Veröffentlichung der App. Platt mit Beo sei dabei „ein zeitgemäßes Instrument zum Erlernen der Sprache.“

Interessierte können durch die Lernapp Zugang zur plattdeutschen Sprache finden. Solche neuen Wege sind wichtig, weil immer weniger Platt bzw. Niederdeutsch gesprochen wird. Mehr als 2 Millionen Menschen können es heute sprechen, 1984 waren es noch mehr als doppelt so viele. Vor allem junge Leute können einer Studie aus dem Jahr 2016 zufolge gar kein Plattdeutsch mehr sprechen oder verstehen nur einige Wörter.

Plattdeutsch mit Mufasa

Dass in jüngeren Generationen weiterhin Platt gesprochen wird, ist auch Christian Richard Bauer ein Anliegen. Der 40-jährige Schauspieler aus Hamburg ist mit Plattdeutsch aufgewachsen. Schon als Kind hat er sich stark mit der Sprache identifiziert. Am Ohnsorg-Theater in Hamburg spielte er in etlichen plattdeutschen Stücken mit und arbeitet dort als Plattdeutsch-Übersetzer und Sprachcoach. Daneben ist er auch in den sozialen Medien aktiv, um der Sprache mehr Reichweite zu verschaffen: „Mir geht es darum, dass viele Leute Plattdeutsch gar nicht kennen oder nicht wissen, was es ist. Oder sie denken, Plattdeutsch ist halt schon, wenn die Leute so ein büschen breit sprechen“

Besonders beliebt sind Bauers Instagram-Videos, in denen er bekannte Filmszenen auf platt neu synchronisiert. Das sind vor allem Ausschnitte aus Zeichentrick-Filmen wie Asterix oder Arielle, die Meerjungfrau. Die Szenen übersetzt er dabei nicht eins zu eins ins Plattdeutsche, sondern bezieht sich auch inhaltlich auf die Sprache. So geht es in der berühmten Szene aus König der Löwen, in der Mufasa und Simba in die Ferne schauen plötzlich um die Benrather Linie – einer Sprachgrenze, die quer durch Deutschland verläuft und das norddeutsche Platt vom Hochdeutsch im Süden trennt. „Kiek di dat an, Sönke. Dat is Plattdüütschland“, sagt der Platt-Mufasa stolz. Noch ein Unterschied zum Original-Clip: Typisch norddeutsch regnet es die ganze Zeit.

Einige der Videos sind auf Instagram viral gegangen. 7 Millionen Aufrufe hat allein der Synchro-Ausschnitt aus Die Eiskönigin. Nicht nur in Plattdüütschland kommen die Clips also enorm gut an. Für Bauer hat das verschiedene Gründe: Deutsche Mundarten (wobei Plattdeutsch eine eigene Sprache ist) hätten an sich schon ein Humorpotenzial. Vor allem dann gepaart mit den modernen Filmszenen, die jeder kennt. Aber auch die lokale Identifikation spiele eine große Rolle: „Ich glaube, dass sich im Plattdeutschen, aber auch sonst bei Mundarten, die Leute, die aus der Gegend kommen, dann doch sehr stark damit identifizieren. Selbst die, die es selbst gar nicht sprechen. Und ich glaube, wir unterschätzen das Interesse für regionale Kultur, auch bei jungen Leuten. Gerade in einer Welt, die auf der anderen Seite sehr stark in einer Globalisierung begriffen ist.“

Digitale Medien zum Erhalt der Sprache

Aber sind diese Videos nur lustig oder bekommen junge Leute durch digitale Medien wirklich wieder Lust, die Sprache auch zu lernen? Dass seine Clips jungen Menschen einen Erstkontakt zum Plattdeutschen geben und viele so positiv darauf reagieren, findet Bauer super. Insgesamt habe Plattdeutsch heute ein viel besseres Image als noch im letzten Jahrhundert, als die Sprache schambehaftet war und Kindern aberzogen wurde. Aber er weiß auch: „Das Image bedeutet ja noch lange nicht, dass Leute die Sprache jetzt intensiv erlernen und dann sprechen können.“

Lern-Apps wie Platt mit Beo können eine gute Einstiegshilfe sein. Um eine Sprache aber wirlich zu lernen, braucht es Gelegenheiten sie aktiv zu sprechen. Auch hier können Bauer zufolge digitale Angebote helfen und Anlaufstellen bieten. In sozialen Medien können sich Menschen, die plattdeutsch aufwachsen vernetzen und austauschen. Für Bauer ist genau das essentiell: „Das heißt, man kennt sich und hat dann auch wieder Gelegenheit, dass sich in Hamburg ein Ostfriese, ein Nordfriese und ein Hamburger begegnen und miteinander Plattdeutsch sprechen, weil sie sich über Social Media kennengelernt haben.“

Mit Blick auf die Zukunft der Sprache ist Bauer interessiert hoffnungsvoll. Es würden „in 50 Jahren zwar nicht plötzlich tausende von jungen Menschen fließend Plattdeutsch sprechen.“ Aber Plattdeutsch wird auch nicht aussterben. Digitale Medien, wie seine Instagram-Videos oder Lern-Apps tragen in jedem Fall zum Erhalt der Sprache bei.


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