Ein kalter Januarmorgen, der Himmel ist wolkenverhangen, Straßen und Wege verschneit. Der Alternative Bärenpark Worbis präsentiert sich still und nahezu besucherleer. Kein Vergleich zu einem warmen Sommertag, an denen der Park ein beliebtes Ausflugsziel ist; dabei bieten die verschneite Landschaft und die mit Eis und Schnee bedeckten Bäume eine ganz eigene, besondere Stimmung.

Im Winter halten Bären Winterruhe, so auch im Bärenpark. Was normal klingt, ist keineswegs selbstverständlich: Durch vormals schlechte und unnatürliche Haltungsbedingungen der geretteten Bären ist ihnen dieses Verhalten nicht sofort bekannt; sie schauen es sich im Bärenpark von ihren Artgenossen ab. Ein Erfolg: Sogar die erst kürzlich aus der Ukraine eingetroffenen, weniger als 2 Jahre alten Bären Asuka und Popeye halten Winterruhe – sie sind offenbar sehr gut angekommen und fühlen sich wohl in ihrem neuen Zuhause.

Alternativer Bärenpark, das heißt: Im Bärenpark Worbis steht das Tier im Mittelpunkt, nicht die Besucher:innen. Deutlich wird das, ganz plastisch, am Freianlagenkonzept. Sind in Zoos und Tierparks die Tiere eingesperrt und vor Blicken wenig geschützt, bekommen in Worbis die Besucher:innen den umgekehrten Eindruck: Sie schauen aus einem Tunnel aus Drahtgeflecht, der dem Gang eines Bären in eine Zirkusmanege nachempfunden ist, in großzügige Freigehege. Deren größter Teil ist für die Gäste nicht einsehbar. So bieten sich Rückzugsorte für die Tiere, die sich hier frei bewegen können.

Wem man an diesem kalten Wintertag dann doch noch über den Weg laufen kann, sind Laura und Pedro. An Pedros Beispiel, dem größten Bär in Worbis, wird die Dramatik der Geschichten der Bären deutlich: Schon die Eltern von Pedro wurden als ausrangierte Zirkustiere in einem Industriegelände ausgesetzt und verhungerten dort fast. Von da aus kamen sie in einen Tierpark, hier setzten sich die schlechten Haltungsbedingungen sowie die unzureichende Fütterung nur fort. Der Nächste Wegpunkt war eine Tierauffangstation, die ebenfalls keine guten Lebensbedingungen bieten konnte. Dort kamen auch Pedro und sein Bruder Pepe zur Welt. Nach der Schließung der Tierauffangstation wurde die Bärenfamilie von einer Stiftung aus den schlechten Umständen gerettet, 2010 fand der aktuell um die 400 Kilogramm schwere Pedro in Worbis sein neues Zuhause, sein Bruder Pepe in einem Park bei Sondershausen. Die Eltern wurden in einem niederländischen Gnadenhof aufgenommen.

Draußen blendender Schnee, innen bären-behagliche Gemütlichkeit. In den meisten Tierparks kommen Bären jedoch nicht in den Genuss ihres Winterschlafs, da ihnen die Futtermengen fehlen, um die für den langen Schlaf nötigen Hormone freisetzen zu können. Nicht so im Bärenpark Worbis, wo versucht wird, allen Tieren ihren Winterschlaf zu ermöglichen. So wurden 2021 23.000 Kilogramm Futter verfüttert, welches in den Gehegen an immer neuen Stellen abgelegt wird, damit sich die Tiere nicht an einen festen Futterort gewöhnen. Neben den natürlich vorkommenden Nahrungsquellen im Freigehege wie Totholz, Kräuter und Insekten, müssen die Bären – wie in freier Wildbahn auch – mit ihrem Geruchssinn das von Menschen gegebene Futter aufspüren. Dabei machen unter anderem Nüsse, Pellets und Trockenfrüchte den entscheidenden Anteil der Bärennahrung aus, um im Herbst die wichtige Fettschicht für den Winterschlaf zu bilden.  

Eine winzige Zelle, vergittert mit Eisenstäben, für einen Menschen kaum hoch genug, um darin zu stehen. So sieht die Realität der meisten Bären in menschlicher Gefangenschaft aus, welche hier exemplarisch an einem leeren Käfig zur Schau gestellt wird. Gerade in privater Raubtierhaltung werden den Bären oft die Reißzähne herausgebrochen und die Klauen gestutzt, damit sie ihre Besitzer:innen nicht verletzen können. In Gefangenschaft macht sich das Trauma schnell bei den Wildtieren sichtbar: Sie entwickeln Reaktionen und Reflexe, um mit ihrer Situation umzugehen. Dieses unnatürliche Verhalten beinhaltet zum Beispiel ständiges Mit-dem-Kopf-Schwingen und Hin- und Herlaufen. Zudem lecken die Tiere oftmals ständig an der eigenen Pfote, wie wenn ein Säugling am Daumen nuckelt.

Eine artgerechte Haltung sei bei Bären in Gefangenschaft an sich nicht möglich, so eine Mitarbeiterin des Bärenpark Worbis an jenem kalten Januarmorgen, als wir gemeinsam vor dem riesigen Freilandgehege stehen. Lediglich eine verhaltensgerechte Haltung könne den Bären in Gefangenschaft auf großer Fläche hier geboten werden. Die Fläche der meisten Tierparks sei jedoch noch nicht einmal für Letzteres ausgelegt.

Ein Bär, mit einer Eisenkette in der Schnauze, auf zwei Beinen stehend. Lustig erhebt er seine Vorderpfoten zum Tanz, das Publikum lacht und klatscht. Das Phänomen der „Tanzbären“ existiert bereits seit tausenden von Jahren und ist immer noch in Zirkussen und als Straßenattraktion in vielen Ländern präsent. Doch kein Bär tanzt freiwillig vor der Menge.

Der Tanz, der das Publikum begeistert, ist vielmehr ein Ausdruck der Qual, antrainiert durch konditionierte Folter. Oft werden die Bären dafür auf heißen Platten zu einer bestimmten Melodie „trainiert“: Der Bär hebt aufgrund der Schmerzen auf dem heißen Untergrund automatisch seine Pfoten. Ist die Melodie vom Tier erstmal verinnerlicht, so braucht es keinen heißen Untergrund mehr. Ein simples Abspielen der Melodie reicht nun aus, damit das Tier Schmerzen empfindet und seine Pfoten im Klang der Musik hebt. Aus einem normalen Bären wurde ein „Tanzbär“. Doch ein „Tanzbär“ ist dennoch, auch wenn er nicht mehr ausgewildert werden kann und seine natürliche Heimat verloren hat, ein Wildtier, das Menschen nicht als seine Artgenossen ansieht.

Mitten in dieser Schneelandschaft begegnen aufmerksamen Besucher:innen aber nicht nur Bären: Auch Haus- und Nutztiere leben im Bärenpark, ein in dieser Art einzigartiges Konzept, welches in der Geschichte des Parks begründet ist. So kann neben den Bären einer Vielzahl weiterer Tiere, darunter Vögel, Ziegen und Hühner, ein Zuhause geboten und den Besucher:innen deren Haltungsanforderungen verdeutlicht werden. „Sollte ich mir wirklich ein Haustier anschaffen; Kann ich dem Tier angenehme Lebensbedingungen bieten, Möchte ich mit meinem Einkaufsverhalten Massentierhaltung unterstützen?“ Diese Fragen stellen sich nach einem Besuch in Worbis vielleicht neu.

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