Der TagesSatz ist das Straßenmagazin Göttingens, ein Sprachrohr für sozial Benachteiligte und Ausgegrenzte. 1994 entstand die Zeitung in Kassel. Zwei Jahre später kam sie nach Göttingen. Die Themen, die das Straßenmagazin behandelt sind „aktuell, sozial, (lokal)politisch und kulturell“, wie auf der Internetseite nachzulesen ist. Der TagesSatz unterstützt Menschen in schwierigen Lebenssituationen und gibt ihnen eine Aufgabe. Dadurch haben sie die Möglichkeit dem Nichtstun zu entfliehen. Die Zeitung wird auf der Straße verkauft. Sie kostet zwei Euro, davon geht einer direkt an den Verkäufer.

17 Jahre Indien

Yogi, gebürtiger Göttinger, Verkäufer und Redakteur beim TagesSatz, ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer die Integration in die deutsche Gesellschaft sein kann. Er ist seit 2008 dabei, nachdem er 17 Jahren seines Lebens in Indien verbracht hat. Er kam zurück nach Deutschland, um sich zusammen mit seinem Stiefvater um seine kranke Mutter zu kümmern und musste Hartz 4 beziehen. Außerdem erschwerten kulturelle Diskrepanzen sein Zurückfinden in die hiesige Gesellschaft. In Indien arbeitete er als Touristenführer im Himalaya und bot Mountainbike-Touren an. Er lebte dort zu 60 Prozent von seinem Einkommen und zu 40 Prozent von Ersparnissen. Zurück in Deutschland schien er vom Pech verfolgt. Nicht nur, dass seine Freundin aus Kanada per Telefon mit ihm Schluss machte, er verlor außerdem sein Portemonnaie mit seinem letzten Geld. „Ich war natürlich nach so langer Zeit orientierungslos. Und total pleite. Ich wusste nicht was ich machen sollte“, erinnert er sich.

Yogi arbeitet als Redakteur beim TagesSatz. Als Verkaufsraum dient unter anderem die Göttinger Innenstadt.
Yogi arbeitet als Redakteur beim TagesSatz. Als Verkaufsraum dient unter anderem die Göttinger Innenstadt.

Das Motto ist Programm

Auf der Hompage der Zeitung steht das Motto „Öffnet Augen, wo andere sie verschließen.“ Der TagesSatz rückt also Themen in den Fokus, die andernfalls untergehen würden. Die Hauptaufgabe sei, die Leserschaft auf soziale Brennpunkte  und die Not der Betroffenen aufmerksam zu machen. Das Magazin versucht für diese Menschen einen Platz in der Gesellschaft zu schaffen. „Normale Zeitungen berichten über Politik und Wirtschaft. Wir berichten über die Folgen, die das hat“, bestätigt Yogi. Die Redaktion arbeitet ehrenamtlich.

„Ich möchte niemanden bedrängen.“

Yogi möchte den Menschen das Produkt nicht aufzwingen. Die Menschen wüssten seine zurückhaltende Art zu schätzen und durch „harte Arbeit und langes Stehen“ konnte er einen festen Käuferstamm aufbauen. „Ich schenke den Leuten ein Lächeln, auch wenn sie nie etwas kaufen“, erzählt er. „Ich bin nicht nur Verkäufer. Ich bin gleichzeitig die Visitenkarte der Stadt. Manchmal fragen Menschen einfach nur nach dem Weg. Gleichzeitig bin ich Freund und Helfer.“

Die Schattenseiten des Verkaufs

Nicht immer geht alles mit fairen Mitteln zu. Yogi wird manchmal von Leuten angepöbelt, unter anderem, mit Sprüchen wie „Geh doch arbeiten!“ Er wurde auch schon mal angerempelt oder von anderen Bettlern weggeschickt. Junge Leute machen sich, ab und zu, lustig über ihn. Hinzu kommt, dass jeder Verkäufer seinen eigenen Stammplatz hat. Das „Revier“ von anderen Bettlern oder Verkäufern sollte gemieden werden. Andernfalls könnten Konflikte entstehen. Yogis Stammplatz ist der Nabel, im Herzen der Innenstadt Göttingens. „Am Nabel ist es manchmal irre anstrengend. In den 8 Jahren, in denen ich dort verkauft habe, stand ich da jeden Tag sechs bis sieben Stunden.“ Die rumänischen Verkäufer haben mit zusätzlichen Schwierigkeiten des Alltags zu kämpfen, da sie kaum Deutsch sprechen.

Transparent und ehrlich

Der Tagessatz gefällt Yogi vor allem so gut, weil er ihn „transparent und ehrlich“ findet. Das entspreche seiner eigenen Moral, immer „zu 100 Prozent ehrlich“ sein zu wollen. Denn: auf lange Sicht währe Ehrlichkeit am längsten. Nach den Schicksalsschlägen, zurück in Deutschland, lief er Gefahr in ein Loch zu fallen. Eine Zeit lang lebte er tatsächlich zurückgezogen. Der Tagessatz war ihm eine Hilfe. Er konnte sich mit dieser leichter wieder in die Gesellschaft integrieren. „Es hat mir geholfen raus in die Öffentlichkeit zu gehen und mit Leuten zu kommunizieren“, verrät er.

Die Zukunft von Straßenmagazinen

Die Straßenmagazine in Europa gehören einem internationalen Netzwerk an, dem sogenannten „International Network of Streetpapers“, in dem auch der Tagessatz Mitlgied ist. Mittlerweile sind 40 Straßenmagazine in Deutschland vertreten. Zum Beispiel, das „Asphalt-Magazin“ in Hannover, „BISS“ in München, „fifty-fifty“ in Düsseldorf, „Hinz und Kunt“ in Hamburg, „motz“ und der „Straßenfeger“ in Berlin. Die deutschen Zeitungen sind im Bundesverband Soziale Straßenzeitungen e.V. zusammengeschlossen. Der Tagessatz gehört diesem an.

Yogi ist 28 Jahre gereist und lernte die verschiedensten Sprachen auf seinen Reisen. „Aber die wichtigste Sprache, die ich lerne, ist die Sprache des Herzens“, sagt er lächelnd, verabschiedet sich, indem er die Hände aneinanderlegt und sich verbeugt. Dann schwingt er sich auf sein Fahrrad und fährt davon.